Mit dem Abgang von John Patrick ist bei den MHP RIESEN Ludwigsburg eine Ära zu Ende gegangen. Doch dessen Nachfolger Josh King hält den Club auf Kurs – auch, weil er den Stil seines Vorgängers fortsetzt.
Text: Manuel Baraniak
Ein meterlanger Schatten liegt über der Parkanlage am Ludwigsburger Residenzschloss. Weniger auf Grund des geschichtlichen Einflusses ehemaliger Herzöge, sondern wegen der Ära John Patricks bei den MHP RIESEN Ludwigsburg. Neuneinhalb Jahre prägte der US-amerikanische Headcoach mit seinem unvergleichlichen Stil des „Guard-Terrors“ und „40 Minutes of Hell“ den Basketball in der Barockstadt, die RIESEN etablierten sich unter Patrick als Playoff-Abonnent mit Ambitionen auf europäischem Terrain. Doch im vergangenen Sommer verließ Patrick den Club. Der König ist tot …
… lange lebe der König. Denn mit Josh King ist ein Cheftrainer in die Fußstapfen Patricks getreten, der von 2018 bis 2021 Patrick assistiert hat und nach einem Abstecher in Prag nun den Patrick-Stil bei den RIESEN fortsetzt.
Spielerisch ist nicht eine derartige Zäsur auszumachen, wie nach dem Abgang eines Trainers von solchem Renommee zu vermuten wäre. Auch unter King exerzieren die Ludwigsburger das „Spiel der Wurfchancen“, heißt: selbst auf den Ball aufpassen, durch aggressive Verteidigung viele Ballverluste beim Gegner forcieren. Häufig auf den Korb ballern, vor allem von außen, dabei die Quoten vernachlässigen, da durch eine starke Arbeit beim Offensiv-Rebound viele zweite Wurfchancen abfallen.
Die Ludwigsburger verlieren wie schon vergangene Saison im Ligabetrieb am seltensten den Ball (11,8 TPG) und nehmen die meisten Würfe der Liga (68,4 FGA) – auch wenn sie bei der Quote (43,9 FG%) auf dem vorletzten Platz rangieren. Aber: Sie holen die zweitmeisten Offensiv-Rebounds (13,1 ORPG).
Unter Patrick hat sich der „Guard-Terror“ im Lauf der Jahre auch in die Offensive verlagert, durch viele Abschlüsse aus dem Eins-gegen-Eins. In dieser Saison nimmt Prentiss Hubb die Rolle des Anführers ein – ist aber mitunter im Backcourt auf sich alleine gestellt. Von Isaiah Whitehead trennten sich die Ludwigsburger (ja, viele Kaderveränderungen sind geblieben), Will Cherry – der mit Berlin 2017 den Pokal gewann – ist weniger durchsetzungskräftig. Und Jhonathan Dunn ist mehr der Schütze ballabseits (ein sehr guter). Ist es eben an Hubb gelegen, die Kohlen aus dem Feuer zu holen: Mit 18,2 Punkten pro Partie ist der Rookie der drittbeste Scorer der Liga, kein Spieler nimmt häufiger von außen Maß (9,1 3PA).
Vielleicht zeigt sich auch hier der Einfluss Patricks, der trotz seines Wechsels nach Japan in beratender Funktion den Club weiter unterstützt. Denn US-Amerikaner aus der NCAA oder G-League zu rekrutieren und sie in der deutschen Beletage zu formen, gelang Patrick zuhauf: Man erinnere sich an Desi Rodriguez, Nick Weiler-Babb, Thomas Wimbush, Kelan Martin oder Thomas Walkup.
Derweil hilft es, dass mit dem 37-jährigen Yorman Polas Bartolo ein Verteidigungsass und Arbeitstier seinen xten Frühling erlebt und dies auch offensiv untermauert, wie mit einem Karrierebestwert von 28 Punkten gegen München. Jener 96:68-Heimsieg gegen die Bayern zeigte derweil, wie unangenehm das King-Team mit seiner Energie und seinem Einsatz agieren kann.
An Konstanz dagegen mangelt es den Ludwigsburgern etwas, zuletzt verspielten sie immer wieder Führungen – wie auch beim jüngsten Crunchtime-Sieg gegen Braunschweig, womit King klarstellte, „dass wir uns den Sieg nicht verdient haben. Wir behandeln dieses Spiel wie eine Niederlage.“
Das spricht für ein prozessbezogenes Denken. Beim TOP FOUR, einem „Do or Die“-Format, wird King aber sicherlich ergebnisorientierter antreten. Bei der ersten Teilnahme an einem TOP FOUR seit 2017 nehmen die Ludwigsburger auch deshalb die Rolle des unangenehmen Stolpersteins ein, weil sie mit ihrem weiterlebenden Patrick-Stil jeden Gegner überraschen können.
Das komplette TOP FOUR wird nicht nur kostenfrei für alle hier auf MAGENTA SPORT übertragen, sondern auch hier auf unserem Twitch-Kanal. Die Hosts Phil Onyema und Fabrice Kao führen nicht nur am Samstag von 14 bis 22 Uhr durch die Halbfinals (u.a. mit Oldenburgs Legende Rickey Paulding zu Gast) und am Sonntag von 13.30 bis 17 Uhr durch das Finale (u.a. mit Philipp Hartwich), am heutigen Donnerstag begrüßen die beiden im Trophy Talk ab 19 Uhr auch Spieler der vier teilnehmenden Teams.
Und hier gibt es das digitale Programmheft zum TOP FOUR 2023.