Manchmal hinkt eine Mannschaft ihren sportlichen Ansprüchen hinterher, manchmal wird sie von großem Verletzungspech heimgesucht, oder sie schöpft vor Saisonbeginn ihr (Ausländer-)Kontingent nicht voll aus. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Teams während der laufenden Saison nachverpflichten. Am häufigsten ist es tatsächlich so, dass sie ihren sportlichen Ansprüchen hinterherhinken, weil sie mit Verletzungen zu kämpfen haben. Entsprechend lastet auf den Neuen in der Regel der Druck, einen Wandel zu besseren Leistungen und Ergebnissen einzuleiten. Es ist allerdings nie leicht, im laufenden Wettbewerb in eine neue Situation zu kommen. Manche Nachverpflichtungen erhalten nur befristete Verträge, bis der Spieler, den sie ersetzen, wieder spielfähig ist. Sie stecken dann in einer Zwickmühle. Einerseits wollen sie das Team erfolgreicher machen, andererseits müssen sie auch ein wenig auf ihre eigenen Statistiken achten, um einen Folge-Job zu ergattern.
Die Nachverpflichtungen der Euroleague-Teams
Aufgrund der Verletzungen von Vladimir Lucic und Niels Giffey legten die Bayern mit Onuralp Bitim auf der Position des Small Forwards nach. Der Türke bestritt in der vergangenen Saison 23 Spiele für die Chicago Bulls und kam als Leihgabe von Fenerbahce Istanbul. Bislang konnte der 25-Jährige aber nicht überzeugen, so dass es gut möglich ist, dass er, wenn nach Giffey auch Lucic zurückkehrt, komplett aus der Rotation fällt.
Die fast schon unheimliche Verletzungsserie von ALBA BERLIN habe ich bereits am 5. November in diesem Nachschlag beleuchtet und geschrieben, dass die Albatrosse nur im Falle einer Trennung von Khalifa Koumadje zwingend handeln müssten. Genauso ist es mittlerweile gekommen. Sein Nachfolger David McCormack zeigt sich bislang als echte Verstärkung. Es wäre ein Riesenplus für die Berliner, wenn sie eine Möglichkeit finden könnten, ihn nicht nur statt, sondern auch gemeinsam mit Trevion Williams zu spielen, bei dem es allerdings Gerüchte gibt, dass Olympiakos Piräus ihn abwerben möchte.
Nachverpflichtungen wegen Verletzungen und aus „Tradition“
Neben Berlin wurde auch Vechta stark vom Verletzungspech gebeutelt. Die beiden Nachverpflichtungen Mike Bothwell und Benas Griciunas verfügen nur über Arbeitspapiere bis zum Jahresende. Für den Litauer dürfte es nach überschaubaren Leistungen nur weitergehen, wenn Isaiah Cozart weiter ausfallen sollte. Dahingegen findet sich Bothwell immer besser zurecht und darf durchaus auf eine Verlängerung seines Engagements hoffen. Macio Teague ist in Bamberg ebenfalls nur Zeitarbeiter für den verletzten Noah Locke und verrichtet dabei solide Arbeit.
Nirgendwo haben Spielerwechsel in der Saison eine größere Tradition als in Ludwigsburg. Mit Jarred Ogungbemi-Jackson konnten die MHP RIESEN einen erfahrenen Spielmacher an Land ziehen. Nach beeindruckenden ersten Auftritten ist er aber seit Anfang November aufgrund einer Knieverletzung zum Zuschauen verurteilt. Deane Williams ist ein Akteur, der aufgrund seines Profils, gut zu John Patricks Stil passen sollte, was die ersten Eindrücke bereits belegen.
Nachverpflichtungen im Abstiegskampf
Wenn es in Frankfurt eng ist oder werden könnte, kommt Jordan Theodore. Nachdem der mittlerweile 35-Jährige 2015/16 eine komplette Saison am Main gespielt hatte, wurde er 2023 in höchster Abstiegsnot nachverpflichtet und debütierte mit 26 Punkten beim Auswärtserfolg in Rostock. Am Dienstag reichte es bei seinem ersten Auftritt in Würzburg nicht zum Sieg. Es bleibt abzuwarten, wie stark sein Einfluss sein wird, zumal die SKYLINERS mit Trey Calvin, Booker Coplin und Malik Parsons bei den Guards gut aufgestellt sind.
Die BG Göttingen startete aufgrund der Verletzung von Noah Churchill Sörensen mit nur fünf Ausländern in die Saison. Nach einem klassischen Fehlstart und der Erkenntnis, dass der Niederländer Marijn Ververs nicht über Starterniveau auf der Spielmacherposition verfügt, verpflichteten die Verantwortlichen Tra Holder, der zunächst die Erwartungen ebenfalls nicht erfüllen konnte, sich aber mittlerweile gesteigert hat.
Im erweiterten Sinne kann Jonathan Stove auch als Nachverpflichtung im Abstiegskampf bewertet werden, auch wenn davon auszugehen ist, dass die Veolia Towers Hamburg den Klassenerhalt sicher realisieren werden. Der letztjährige MBC-Profi bewies in seinen bisherigen vier Partien (davon drei im Eurocup), dass er der Mannschaft deutlich mehr Scoring-Punch verleiht.
Kochs Nachschlag
Ich habe länger überlegt, wer die bislang beste Nachverpflichtung ist und bin gelandet bei: Victor Bailey Jr. von den NINERS (12,9 Punkte, 2,7 Rebounds, 2,0 Punkte in sieben Ligaspielen). Erstens ist beim Chemnitzer Shooting Guard aufgrund der Zahl der absolvierten Spiele eine belastbare Aussage möglich, und zweitens, was viel wichtiger ist, eine positive. Der Linkshänder hat aus meiner Sicht die Erwartungen klar übertroffen, weil er sich problemlos auf einem für ihn neuen Niveau zurechtfindet (vergangene Saison spielte er beim Pro A-Meister Karlsruhe) und zudem auch im Spielaufbau entlastet, was ebenfalls nicht unbedingt vorhersehbar war, aber den Chemnitzern bei ihrer Kaderstruktur mit nur einem nominellen Point Guard sehr hilft.