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Home/Newscenter/Die Liga hört Reggae: Aufsteiger Vechta surft als Tabellenführer auf der Erfolgswelle

Kochs NachschlagDie Liga hört Reggae: Aufsteiger Vechta surft als Tabellenführer auf der Erfolgswelle

20. Oktober 2023
Fünf Pflichtspiele – fünf Siege! RASTA Vechta steht an der Tabellenspitze der easyCredit BBL und hat das Viertelfinale im BBL Pokal erreicht. Der Aufsteiger schreibt die Erfolgsgeschichte der noch jungen Saison. Allerdings absolvierten die Niedersachsen alle Partien im heimischen RASTA Dome. Am Sonntag geht es zur ersten Auswärtsbegegnung nach Berlin. Sollten die Vechtaer auch noch dem Euroleague-Teilnehmer in dessen Halle ein Bein stellen, wäre dies der bislang größte Coup der Schützlinge von Ty Harrelson.

Fünf Pflichtspiele – fünf Siege! RASTA Vechta steht an der Tabellenspitze der easyCredit BBL und hat das Viertelfinale im BBL Pokal erreicht. Der Aufsteiger schreibt die Erfolgsgeschichte der noch jungen Saison. Allerdings absolvierten die Niedersachsen alle Partien im heimischen RASTA Dome. Am Sonntag geht es zur ersten Auswärtsbegegnung nach Berlin. Sollten die Vechtaer auch noch dem Euroleague-Teilnehmer in dessen Halle ein Bein stellen, wäre dies der bislang größte Coup der Schützlinge von Ty Harrelson.

Der überragende Tommy Kuhse

Der Coach leistet hervorragende Arbeit und ist dafür verantwortlich, dass der Spitzenreiter attraktiven Basketball spielt und im Ligabetrieb 96 Punkte pro Partie erzielt. Neben dem sehr starken Offensiv-Rebounding stechen die überragende Dreierquote (48,2 Prozent) und die wenigen Ballverluste (11,0) ins Auge. Das homogene Team wird von Tommy Kuhse (Spielerprofil) angeführt, der bei seinem Europadebüt in der vergangenen Saison in Ludwigsburg sein Potenzial noch nicht abrufen konnte. In Vechta hält der Spielmacher jetzt alle Fäden in der Hand. Addiert man seine Werte aus den fünf Pflichtspielen, erhält man ein atemberaubendes Zahlenwerk: 24,4 Punkte, 7,8 Assists, 3,0 Steals und eine Dreierquote von fast 50 Prozent! Dabei präsentiert er ein komplettes Offensiv-Repertoire, indem er seine Mitspieler bei seinen Penetrationen findet und neben dem Dreier auch mit Pull-ups aus der Halbdistanz und Drives zum Korb punktet.

Tommy Kuhse beim Drive gegen Bambergs Trey Woodbury (Christian Becker / pfbecker.de)

Sein Gamewinner am Ende der zweiten Verlängerung im Pokalspiel gegen Göttingen (Highlights) war nicht nur der Beweis seiner Klasse aus der Halbdistanz, sondern auch seiner Kaltschnäuzigkeit und seines Selbstbewusstseins. Auf dem Weg zum Brett kommt der 25-Jährige (da gibt es also noch jede Menge Upside!) nur selten an den Big Men des Kontrahenten vorbei, aber wie er die Bälle gegen sie ablegt, wenn sie immer noch eine veritable Verteidigungsposition einnehmen, ist beeindruckend.

Die Mischung stimmt

Die Stärke von Kuhse könnte auch zum Problem werden, wenn sich der Amerikaner verletzen sollte (so wie Shorts vor zwei Saisons bei den Merlins, die dadurch noch die Playoffs verpassten). Die Mannschaft hängt stark an seinem Tropf, weil es keinen echten Backup für ihn gibt. Aber man darf auch nicht vergessen, dass die Reggae-Band bisher noch nicht mit allen Instrumentalisten musiziert hat. So ist zwar Ryan Schwieger, nachdem er die ersten drei Pflichtspiele versäumte, mittlerweile zurückgekehrt, aber Richmond Aririguzoh fällt immer noch verletzt aus. In seiner Abwesenheit glänzte das 18-jährige Supertalent Johann Grünloh auf der Centerposition und legte dabei gegen Tübingen ein Double Double auf (14 Punkte und zehn Rebounds) – und das in knapp 16 Minuten Parkettzeit.

Joel Aminu und Johann Grünloh (Foto: Christian Becker / pfbecker.de)

Die Mischung macht es beim Aufsteiger. Zweitbester Korbschütze nach Kuhse ist Joel Aminu, dessen Weg ich bereits im letzten Nachschlag kurz skizziert habe. Joschka Ferner ist ähnlich zu beurteilen. Nachdem der 27-jährigen Linkshänder weder in Ulm noch in Crailsheim der Durchbruch vergönnt war, ist er jetzt in Vechta als Stretch-Vierer eminent wichtig. Der Star ist zweifellos Wes Iwundu, der trotz seiner 236 NBA-Einsätze ohne jegliche Allüren agiert und sogar seine Rolle von der Bank akzeptiert. Dass Nat Diallo und Luc van Slooten nach vier bzw. drei Jahren in der Fremde in die Heimat zu ihrem Ausbildungsverein zurückgekehrt sind, unterstreicht ihr Vertrauen in das Projekt und die handelnden Personen.

Stefan Niemeyer als treibende Kraft

Die beschauliche Kreisstadt im westlichen Niedersachsen mit knapp 34.000 Einwohnern ist im Moment tatsächlich so etwas wie ein Epizentrum im Land des Weltmeisters. Gab es in dieser Region nicht schon einmal ein aufständisches gallisches Dorf? Natürlich! Die Artland Dragons mischten von 2003 bis 2015 immer weit oben in der deutschen Beletage mit. Dabei gelangen der Mannschaft aus Quakenbrück 2008 ein Pokalsieg und 2007 eine Vizemeisterschaft. Beide Orte trennen nur 27 Straßenkilometer. Bei den Dragons wurde die Entwicklung maßgeblich vom Engagement und der finanziellen Unterstützung des Unternehmers Günter Kollmann geprägt. Sein Vechtaer Pendant heißt Stefan Niemeyer. Der 63-Jährige ist mit seiner Firma Miavit seit mehr als 30 Jahren Hauptsponsor und als alleiniger Gesellschafter auch treibende Kraft. Sein Sohn Lukas Middendorf fungiert ebenfalls als Geschäftsführer. Mittlerweile liegt der Etat bei geschätzten 4,5 Millionen Euro. Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied im Vergleich mit den Artland Dragons. In Vechta spielt die Jugendarbeit (in der JBBL und der NBBL als Spielgemeinschaft mit den Quakenbrückern) eine viel größere Rolle.

Stefan Niemeyer mit Chip Flanigan in der Preseason (Foto: RASTA Vechta)

Nachwuchsarbeit und Familienfeeling

Das Nachwuchsprogramm gilt mittlerweile zusammen mit Ulm und Berlin als das beste in Deutschland, was auch an der hohen Qualität der Trainer liegt. Mittlerweile wechseln Talente aus der ganzen Republik zu RASTA, ein Beleg dafür, dass die Vechtaer ihr „Landeier-Image“ längst abgelegt haben.

Vechta ist der einzige Erstligaklub in Deutschland dessen zweite Mannschaft in der ProA spielt. Hier geht es aber weniger um Ergebnisse als darum, jungen Talenten eine Plattform zu bieten. Im Gegensatz zur Bundesliga wäre hier ein Abstieg verdaubar. Dieses Denken unterstreicht den nachhaltigen Ansatz der Verantwortlichen und war ein wichtiger Faktor für den Wechsel des 17-jährigen Jack Kayil aus Berlin. Der letztjährige „Rookie of the Year“ in der NBBL heuerte ebenso in Vechta an wie der ein Jahr ältere Joschi Bonga. Der jüngere Bruder von Weltmeister Isaac will nach seiner schweren Achillessehnenverletzung wieder in Tritt kommen. Darüber hinaus ist auch noch Johann Grünloh, der im Sommer das U18-Nationalteam zu EM-Bronze geführt hat und dabei bester Shotblocker des Turniers und effektivster Spieler seines Teams war, sowohl für die ProA als auch die NBBL spielberechtigt.

Johann Grünloh beim Stopfball (Foto: Christian Becker / pfbecker.de)

In der NBBL hat er in dieser Spielzeit noch nicht gespielt. Aber Grünloh ist sich nicht zu schade, bei den Spielen seines Jugendteams mit dem Wischmobb den Schweiß vom Parkett zu entfernen.

Das spiegelt den RASTA-Spirit wider und erinnert im positiven Sinne an ein Vereinsleben vor 50 Jahren. Man versteht sich in Vechta als eine große Basketballfamilie. So schauen die Profis auch schon einmal nach dem Training geschlossen beim Regionalligaspiel der dritten Mannschaft zu, und so leben die jungen Talente, die von außerhalb kommen, auch nicht in einem Internat, sondern bei Gasteltern.

Kochs Nachschlag

Mit der Verpflichtung des ehemaligen Spielerberaters Gerrit Kersten-Thiele als Sportdirektor erhielt das Projekt zusätzlichen Rückenwind. Der 43-Jährige trat seinen Posten im März 2022 an und arbeitet mit viel Weitsicht daran, die Möglichkeiten des Standortes weiter zu verbessern, was angesichts des Booms eine herausfordernde Aufgabe ist. So spielt man mit dem Gedanken, eine Lagerhalle anzumieten und umzurüsten, um weitere Trainingskapazitäten zu gewährleisten. Der RASTA Dome bietet 3140 Zuschauern Platz, die nach den Partien gerne noch sehr lange bleiben und die Sportveranstaltung in ein Party-Event überführen. Pläne für eine größere Halle sind bereits erstellt. Niemeyer würde mit dem auf 30 Millionen Euro veranschlagten Bau „lieber heute als morgen loslegen“. Vor dieser Saison stieg RASTA zum vierten Mal innerhalb von zehn Jahren in die Bundesliga auf. Jetzt spricht Vieles dafür, dass sich Vechta endgültig im Oberhaus etabliert.

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.

Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei Dyn, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere, Sportdigital und MagentaSport tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag". Außerdem produziert er gemeinsam mit Oliver Dütschke im Zweiwochentakt den Podcast „Talkin‘ Basketball“, der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist.