– Stefan Koch
Und die zweiten beiden Viertelfinal-Serien beginnen. Dabei gibt es zum einen das einseitigste Duell der ersten K.o.-Runde und einen Kampf auf Augenhöhe.
Mein Topfavorit steigt in die K.O.-Phase ein. ALBA BERLIN trifft auf die BG Göttingen. Dieses Duell ist von der Papierform her das eindeutigste der Viertelfinalbegegnungen. Der beste Angriff der Gruppenphase trifft auf den schwächsten. Berlin erzielte im Schnitt 94,5 Punkte, Göttingen nur 68. Im Aufeinandertreffen mit Brose Bamberg sind die EWE Baskets Oldenburg der Favorit, aber in diesem Vergleich sind die Rollen nicht so eindeutig verteilt. Genug der kurzen Vorrede und hinein in die Analyse.
ALBA BERLIN – BG Göttingen
Der Kontrahent und das Spiel aus Berliner Sicht
Ganz ehrlich, die Berliner sind so eindeutig favorisiert, dass es sinnvoll wäre, sich ganz auf die eigene Weiterentwicklung zu konzentrieren, zumal diese Herangehensweise ohnehin stark Aitos Philosophie entspricht. Göttingen fehlt es an Qualität in der Spitze und an Tiefe im Kader, um Berlin auf Augenhöhe zu begegnen. Vor allem der letztgenannte Faktor wiegt mit fortschreitendem Turnierverlauf immer stärker. Göttingens kreativster Spieler ist Alex Ruoff (30 Punkte und 14 Assists in zwei Spielen), der aber angeschlagen ist. Die Niedersachsen haben im Turnierverlauf mehr Dreier als Zweier genommen, so dass der Pokalsieger sich darauf konzentrieren sollte, die 6,75-Meter-Linie zu kontrollieren, um einen Spieler wie Mihajlo Andric nicht zum X-Faktor werden zu lassen. Berlin kann über das ganze Feld verteidigen, und angesichts der Anfälligkeit der BG für Ballverluste (17,8 pro Partie) wäre dies ein erfolgsversprechender Ansatz.
Der Kontrahent und das Spiel aus Göttinger Sicht
Wo anfangen? Angesichts der Herkulesaufgabe, die sich vor dem Außenseiter wie eine fast unüberwindbare Wand auftürmt, eine berechtigte Frage. Die Antwort kann nur lauten: bei Luke Sikma. Der geniale Power Forward lieferte zuletzt sein erstes Triple-Double im Berliner Dress ab. Wenn er den Ball in oder um die Zone herum fängt, muss sich die Verteidigung zusammenziehen. Dann trifft Sikma fast immer die richtige Entscheidung. Es gilt also, konsequent das Anspiel auf den Amerikaner zu verhindern. Das könnte eine Spezialaufgabe für Marvin Omuvwie werden. Ansonsten muss Terry Allen, den die Schützlinge von Johan Roijakkers aber auch dringend offensiv benötigen, diesen Job verrichten. Rebounding ist ein weiteres elementares Thema für die Göttinger, die als schwächste Mannschaft des Turniers (31,8) auf die stärkste (40,0) treffen.
EWE Baskets Oldenburg – Brose Bamberg
Der Kontrahent und das Spiel aus Oldenburger Sicht
Die Oldenburger zeigten nach durchwachsenem Start zuletzt gegen die Bayern ihre beste Leistung in München. War das der Wendepunkt für die „alte Mannschaft mit dem dicken Center“ (O-Ton Rasid Mahalbasic)? Vor allem Tyler Larson (2/13 Dreier), Braydon Hobbs (4/18 Dreier) und Rickey Paulding (31,7% Feldwurfquote) müssen ihre Treffsicherheit verbessern. Doch was käme da gelegener als ein Rendezvous mit der schlechtesten Verteidigung aller Viertelfinalteilqualifikanten (Bamberg lässt 91,5 Zähler pro Begegnung zu)?
Jordan Crawford ist der wichtigste Scorer der Oberfranken, aber defensiv eher desinteressiert. Das heißt im Klartext: Die Mannschaft von Mladen Drijencic wird ihn bei jeder Gelegenheit attackieren. Das könnte in mehr Minuten für den bislang überzeugenden Robin Amaize münden, der für Crawford unangenehmer zu verteidigen sein dürfte als Karsten Tadda, wenngleich der Defensivspezialist als Klette am Ex-NBA-Spieler seine Berechtigung hat.
Der Kontrahent und das Spiel aus Bamberger Sicht
Für Roel Moors heißt der erste Angriffspunkt auf den Außenpositionen Braydon Hobbs. Mindestens genauso wichtig wird es aber für die Bamberger, das starke Big-Men-Duo mit Nathan Boothe und Rasid Mahalbasic zu beschäftigen. Mit Assem Marei und Elias Harris verfügen die Franken über zwei fast gleichwertige Center, die man in kurzen Wechselabständen (vier bis fünf Minuten) Mahalbasic entgegenstellen kann. In diesem Zusammenhang müssen sie vorbereitet sein auf die Variante des Österreichers, beim 1-1 im Low Post den Kontakt zu lösen und damit den Angreifer aus dem Gleichgewicht zu bringen (im Fachjargon genannt: den Stuhl ziehen).
Am allerwichtigsten wird es aber sein, dass die Bamberger defensiv ein deutlich höheres Niveau erreichen. Das hat vor allem mit Intensität zu tun. Aber natürlich gilt es, Boothe keine offenen Würfe zu gestatten und die Frage zu beantworten, ob und von wo man Mahalbasic doppeln will.
Kochs Nachschlag
Am Mittwoch begann die spanische ACB in Valencia die Vorrunde ihres Finalturniers. Doch sind wir mal ehrlich: Basketball ist natürlich immer cool, aber es ist noch cooler, wenn der Playoff-Gedanke ins Spiel kommt. Deshalb solltet ihr es wie ich machen: Lehnt euch zurück und genießt die entscheidende Phase der Saison in unserem Final-Turnier 2020.
Zur Person
Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ erscheint regelmäßig auf der Homepage der easyCredit BBL.