– Stefan Koch
Meister München trifft auf energiereiche Ludwigsburger und Ulms Offense muss Frankfurts Defense überwinden. Worauf bei den ersten beiden Viertelfinal-Serien zu achten ist.
Die Vorrunde liegt hinter uns und ab Mittwoch geht es ans Eingemachte. Nach einer sehr interessanten Gruppenphase steht das Viertelfinale auf dem Programm. Während die Abschlussplatzierungen in Gruppe B den vorher getätigten Einschätzungen entsprachen, tauschten in Gruppe A Bayern München und ratiopharm ulm die für sie prognostizierten Plätze. Somit wurden die Ulmer zur positiven und die Münchner zur negativen Überraschung der Vorrunde.
Der Modus in der Knock-out-Runde bietet ganz besondere Reize. So ist in den beiden Spielen das Unentschieden möglich, und eine Verlängerung gäbe es im zweiten Spiel nur dann, wenn nach 80 Minuten beide Mannschaften die exakt gleiche Punktezahl erzielt hätten. Ich freue mich riesig auf die Duelle des Viertelfinals und nehme zunächst ratiopharm ulm – FRAPORT SKYLINERS und MHP RIESEN Ludwigsburg – FC Bayern München unter die Lupe.
ratiopharm ulm – FRAPORT SKYLINERS
Der Kontrahent und das Spiel aus Ulmer Sicht
Vier Siege in vier Partien, die Ulmer haben nicht nur Ergebnisse geliefert, sondern auch sehr überzeugend gespielt. Durch das Fehlen von Killian Hayes wurden Aufgaben und Hierarchien im Team von Jaka Lakovic neu definiert. Die aktuelle Arbeitschemie funktioniert hervorragend. Tyler Harvey, Per Günther und Nachverpflichtung Thomas Klepeisz bilden eine harmonische und harmonisierende Kreativabteilung. Frankfurt doppelt gerne im Low Post. Angesichts der bislang starken Quoten von Harvey und Klepeisz können die Ulmer dies gut bestrafen. Darüber hinaus bietet diese Variante eine Chance für den bislang wenig überzeugenden Andreas Obst, seine Quote aufzupolieren. Frankfurt ist anfällig für Ballverluste, Ulm glänzt mit elf Steals pro Partie beim Finalturnier. Fast-Break-Punkte sind wichtig, da die Halbfeldverteidigung der Skyliners vor allem auf den Außenpositionen Einiges zu bieten hat. Zusammengefasst geht es für Ulm darum, die defensive und offensive Kompaktheit zu behalten und die PS aus der Vorrunde weiter auf die Straße zu bringen.
Der Kontrahent und das Spiel aus Frankfurter Sicht
Mit dem Erreichen des Viertelfinales haben die Hessen ihr Ziel erreicht. In der Gruppe B hat das Team von Sebastian Gleim die wenigsten Gegenpunkte kassiert – und nur über Verteidigung kann man die Überraschung gegen Ulm schaffen, denn mit Lamont Jones ist der Spieler mit dem meisten Scoring-Potenzial mittlerweile abgereist. Liest man die Pressemitteilung, so ist von einem grundsätzlichen Ende der Zusammenarbeit auszugehen. Mit Kapitän Quantez Robertson, Nachverpflichtung Yorman Polas Bartolo und Akeem Vargas verfügt man über drei gute und giftige Verteidiger, die den Ulmer Guards auch über ihre größere Physis Probleme bereiten können. Das muss der Ansatzpunkt sein. Gegen Archie Goodwin würde ich einen schwächeren Verteidiger stellen, dessen Aufgabe es sein sollte, über entsprechenden Abstand den Drive wegzunehmen. Goodwin muss man zum Werfer machen. Das gilt auch in den Rotationen nach dem Doppeln im Low Post. Im Angriff sind die Optionen sehr überschaubar, da müssen höhere Mächte helfen.
MHP RIESEN Ludwigsburg – Bayern München
Der Kontrahent und das Spiel aus Ludwigsburger Sicht
Du wirst Zweiter in deiner Vorrundengruppe und triffst im Viertelfinale auf den Titelverteidiger. Härter geht es kaum! Ludwigsburg nimmt die meisten Würfe aus dem Feld, München die wenigsten. Es wird also auch ein Duell unterschiedlicher Spielauffassungen. Wenn Zamal Nixon nicht auf dem Feld steht, agieren die Schützlinge von John Patrick mit Marcos Knight, Jaleen Smith und Nick Weiler-Babb – drei körperlich sehr starken Außenspielern. Diese werden versuchen, die eher der Leichtbauweise zuzuordnenden Münchner Guards Maodo Lo, Diego Flaccadori und Ismet Akpinar zu attackieren. Auch Petteri Koponen ist dafür bekannt, nicht der beste 1-1-Verteidiger zu sein. Neben dem genannten Trio muss Thomas Wimbush den Ball viel in den Händen halten. Cameron Jackson könnte sich dagegen ein wenig zurücknehmen. Der Center war mir in der Vorrunde phasenweise zu aktiv in der Offense. Er sollte sich gemeinsam mit dem Rest des Teams konsequent auf die Ludwigsburger Tugenden konzentrieren: Einsatz, Verteidigung und Rebounding.
Der Kontrahent und das Spiel aus Münchner Sicht
Nach einer enttäuschenden Vorrunde muss die Mannschaft von Oliver Kostic den Schalter umlegen. Es reicht jetzt nicht mehr, dass das Feuer nur lodert. Du musst die hohe Ludwigsburger Intensität (von der ersten Sekunde an) matchen, damit dein Mehr an spielerischer Qualität den Ausschlag geben kann. Gute 1-1-Verteidigung und defensives Rebounding sind elementar. Wimbush ist vielleicht das wichtigste Match-up. Wie die Bayern es einstufen, bestimmt ihre Line-up. Um die offensive Wirkung des Linkshänders, der bei Ludwigsburg nominell als Power Forward spielt, zu kontrollieren, würden Paul Zipser und Vlado Lucic als Gegenspieler Sinn ergeben. Diese Konstellation mit Danilo Barthel als Center würde es den Bayern darüber hinaus erlauben, ihre fünf besten Akteure auf das Parkett zu stellen. Eine andere Möglichkeit wäre es, Barthel auf der Vier zu belassen und Wimbush im Low Post gegen den dort exzellenten Bayern-Kapitän verteidigen zu lassen. Dazu könnte man Zipser und Lucic neben einen Point Guard auf die Außenpositionen setzen, um dort mit entsprechender Physis aufzuschlagen.
Kochs Nachschlag
Kurz und bündig: Frankfurt wird ein unangenehmer Kontrahent für Ulm, aber das offensive Potenzial dürfte zu begrenzt für eine Überraschung gegen die bislang sehr stabil wirkenden Ulmer sein. Nimmt man die Vorrundenleistungen als Maßstab ist im Duell Ludwigsburg – München bereits das Viertelfinalaus des Meisters möglich. Genau aus diesem Grund ist diese Miniserie die interessanteste und jene, die mit der größten medialen Aufmerksamkeit verfolgt werden wird.
Zur Person
Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ erscheint regelmäßig auf der Homepage der easyCredit BBL.