– Stefan Koch
Der Schock sitzt tief. Nach einer schwachen Vorstellung gegen die Dominikanische Republik hat die deutsche Basketball-Nationalmannschaft die Zwischenrunde bei der WM in China verpasst. Kaum jemand hatte erwartet, dass die Mittelamerikaner die DBB-Riesen zum Wanken, geschweige denn zu Fall bringen könnten. Stellt sich die Frage: Was waren die Gründe?
Nach dem Spiel wäre ich gerne Mäuschen in der Kabine gewesen. Nicht so sehr, um zu hören, was Henrik Rödl seinen Akteuren mitteilte, sondern vielmehr, um das aufzuschnappen, was sich die Spieler untereinander zu sagen hatten. Denn in Bezug auf Körpersprache und Energie war dies ein Auftritt, der der Bedeutung der Partie nicht einmal ansatzweise gerecht wurde. Gibt es niemanden in diesem Team, der seinen Mitspielern einen emotionalen Push geben kann?
Der Führungsspieler Dennis Schröder
Dennis Schröder, ernannter und selbsternannter Führungsspieler zugleich, ist zweifellos reifer geworden. Aber sein diesbezüglicher Entwicklungsprozess darf noch nicht abgeschlossen sein. Die Begegnung gegen die Dominikanische Republik zeigte bei all der unbestreitbaren Klasse, über die er verfügt, dass er beim Management der Optionen auf dem Feld noch ordentlich Luft nach oben hat. Mannschaftsdienliches Spiel wechselte mit (zu) riskanten Pässen und Einzelaktionen. Zudem offenbarte er auch eine defensive Anfälligkeit. Es wäre ungerecht, alles an Schröder festzumachen, aber wer viel Verantwortung einfordert, muss sich auch daran messen lassen. Gegen Frankreich traf der Spielmacher sieben seiner 19 Würfe aus dem Feld, gegen die Dominikanische Republik fünf von 18. Diese Zahlen sehen genau so aus, wie ich sie mir vor der WM nicht gewünscht hätte: Fast 20 Abschlüsse im Schnitt bei einer Wurfquote von weniger als 40 Prozent.
Fehlende Arbeitschemie
Es ist aber auch offensichtlich, dass Schröder in der Kreativabteilung zu wenig Unterstützung findet. Von den Assists gegen die Dominikanische Republik gingen sieben auf sein Konto. Aber der Teamwert von insgesamt zehn ist eine Katastrophe. Gelvis Solano alleine bereitete beim Kontrahenten elf Korberfolge vor. Teamwork benötigt als Grundlage Teamspirit, und der war bei den Mittelamerikanern spürbar – anders als beim deutschen Team.
Im Vorfeld des Turniers wurde immer wieder über die tolle Stimmung und Atmosphäre in der Mannschaft gesprochen. Als Außenstehender kann ich nicht beurteilen, ob diese Beschreibungen korrekt oder möglicherweise ein wenig übertrieben waren. Aber das Spiel vom Dienstag unterstreicht einmal mehr, dass eine gute Sozialchemie ohne eine entsprechende Arbeitschemie nicht weiterhilft. Die Arbeitschemie stimmte nicht. Es gab offensichtliche defensive Schwächen wie die Verteidigung von Penetration. Insgesamt fehlten Härte und Genauigkeit, zu Ende gedacht sogar die Grundlage dafür in Form einer Zuordnung. Dies spricht wieder ganz stark dafür, dass die Mannschaft dem Druck des Gewinnen-Müssens nicht standhalten konnte, denn in der Vorbereitung zeigte sie sich defensiv deutlich gefestigter.
Offensiv nahmen Schröder und Daniel Theis 34 der 57 Würfe. Maxi Kleber hatte als NBA-Spieler keinen einzigen Versuch! Er ist im Moment wohl nicht in bester Verfassung, dennoch sollten solche Zahlen analysiert werden. Auf jeden Fall wäre offensiv mehr Variabilität hilfreich gewesen.
Man würde es aber dem Rest des Teams viel zu einfach machen, wenn man die mangelnden Leistungen damit begründen würde, dass Dennis Schröder durch seine dominante Präsenz seine Mitspieler paralysiert haben solle. Alle Beteiligten müssen sich hinterfragen. Wie kann es zum Beispiel sein, dass ein ehemaliger NBA-Profi Paul Zipser zwei Minuten vor dem Ende einen Korbleger so gegen das Brett befördert, dass der Ball nicht einmal den Ring berührt?
Kochs Nachschlag
Jetzt steht der größte Test für die Schützlinge von Henrik Rödl an. Der Charakter eines Teams zeigt sich nicht in Phasen des Erfolges, sondern im Umgang mit Enttäuschungen. Zerfleischt sich die Mannschaft jetzt oder rückt sie enger zusammen, um nicht noch zusätzlich aus dem Rennen um die Olympiaqualifikation auszuscheiden? Versucht sie jetzt, diese Aufgabe leidenschaftlich, konsequent und gemeinsam zu bewältigen?
Davon wird viel für die Zukunft dieser trotz des Rückschlags hochtalentierten Gruppe abhängen. Schröder sagte nach der Niederlage gegen die Dominikanische Republik: „Wenn alle mitziehen, bin ich zukünftig auch dabei.“ Angesichts des Moments der Aussage, sollte man sie vielleicht nicht überbewerten, aber ein Fingerzeig ist sie auf jeden Fall.
Zur Person
Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ erscheint regelmäßig auf der Homepage der easyCredit BBL.
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