– Stefan Koch
Trainer einer Auswahlmannschaft zu sein, ist eine ehrenvolle Aufgabe, aber die Selektion des spielenden Personals für ein großes Turnier gehört zu den schwierigsten Herausforderungen, denen sich ein Bundestrainer stellen muss. Nachdem Youngster Isaac Bonga gestrichen wurde, steht der endgültige WM-Kader von Henrik Rödl und ich möchte vor dem ersten Spiel gegen Frankreich zum einen die taktischen Möglichkeiten beleuchten, welche die Aufstellung bietet, und noch ein paar grundsätzliche Gedanken zum Selektionsprozess formulieren:
Henrik Rödl hatte offensichtlich von Anfang an eine ganz klare Vorstellung, wen er mit nach Asien nehmen wollte. In den WM-Qualifikationsspielen setzte er insgesamt noch 26 Spieler ein, was auch der Tatsache geschuldet war, dass die NBA- und Euroleague-Profis nur bedingt zur Verfügung standen. So gesehen kam es etwas überraschend, dass sein erster Kader für den Saisonhöhepunkt nur 16 Akteure umfasste, zumal zum einen die aktuelle Generation als so tief besetzt gilt, dass eigentlich problemlos zwei Nationalmannschaften aufgestellt werden könnten, und zum anderen die meisten anderen Nationen ihr erstes Aufgebot auch deutlich breiter gefasst hatten. Mit der Nominierung von nur vier Spielern zu viel signalisierte der Bundestrainer, dass es ihm vor allen um eine ernsthafte Vorbereitung ging, die er nicht durch Konkurrenzkampfscharmützel in Frage gestellt sehen wollte.
Die großen Positionen
Mit Maxi Kleber (Dallas), Danilo Barthel (München), Daniel Theis (Boston) und Johannes Voigtmann (Moskau) stehen auf den Positionen Vier und Fünf vier Topspieler zur Verfügung, unter denen Rödl die 80 Minuten Spielzeit problemlos aufteilen könnte. Genau das erwarte ich auch, so dass für Johannes Thiemann (Berlin) eigentlich nur „Garbage-Minuten“ abfallen dürften.
Grundsätzlich könnte man angesichts des Kaders auch sogenannten Small Ball spielen, also mit einem Small Forward als Power Forward. Paul Zipser (München), Niels Giffey (Berlin) und Kapitän Robin Benzing (Saragossa) und haben diese Rolle alle schon bei unterschiedlichen Anlässen gut ausgefüllt. Allerdings ist diese Variante im Vereinsbasketball deutlich beliebter als bei den nationalen Auswahlteams. Zudem müsste der Bundestrainer dann die Spielzeit seiner auf höchstem Niveau erprobten Big-Men-Armada reduzieren, was eher unwahrscheinlich ist. Der allerwichtigste Indikator, dass diese Option keine Rolle spielen dürfte, war allerdings, dass Rödl darauf verzichtete, eine solche Formation in den Vorbereitungsspielen zu testen.
Stattdessen setzte Rödl Signale in die andere Richtung und ließ häufig groß spielen. Paul Zipser und Niels Giffey waren als Shooting-Guards unterwegs, was defensiv zu hier und da sichtbaren Problemen gegen schnellere Guards führte, andererseits aber in der Offense die Option des Aufpostens bietet, was ansonsten auf konstanter Basis nur Barthel samt seiner überragenden Fußarbeit liefert sowie Benzing als Dreier mit Gardemaß von 2,10 Metern. Da nur vier „echte“ Guards im Kader stehen, spielt diese Variante mit Zipser und Giffey auf der Zwei in Rödls Kopf eine wichtige Rolle, zumal sich die beiden und Benzing ansonsten nur die 40 Minuten Spielzeit auf der Small-Forward-Position teilen könnten.
Zur Person
Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ erscheint regelmäßig auf der Homepage der easyCredit BBL.
Die kleinen Positionen
Stichwort Guards: Natürlich wird Dennis Schröder (Oklahoma City) der wichtigste Scorer und Vorbereiter im DBB-Team sein. Spektakulär ist vor allem sein Alley-oop-Verständnis mit seinem alten Braunschweiger Buddy Daniel Theis. Es wird wichtig sein, dass Schröder nicht nur auf der Bank, sondern auch auf dem Feld gelegentlich durchschnaufen kann. Am ehesten ist dies möglich, wenn ein anderer Spieler sich um den Ballvortrag kümmert. Einerseits könnte das Ismet Akpinar (Besiktas Istanbul) übernehmen, in erster Linie sollte es aber eine Aufgabe für Maodo Lo (München) sein. Die Entscheidung, Isaac Bonga (Washington) zu cutten, spricht nicht nur dafür, dass der Bundestrainer nicht an Small Ball denkt, sondern zeigt auch, dass es sich bei Los Verletzung wirklich nur um eine Bagatelle handelt.
Andi Obst (Ulm) fällt in diesem Backcourt die Rolle des Spezialisten zu. Dreier zu werfen, wird sein Auftrag sein, ob in Transition, aus Kickouts oder über Blocks kommend. Vermutlich wird Rödl einen frühen Heatcheck vornehmen: Sollte der Ulmer Neuzugang seine ersten Würfe daneben setzen, dürfte er zeitnah wieder auf der Bank Platz nehmen. Seine Rolle erinnert ein wenig an die von Lucca Staiger in der Vergangenheit.
Defensiv ist mit diesem Kader einiges möglich. In der großen Formation mit Zipser oder Giffey als Zwei können mit Ausnahme des Point Guards alle Spieler fast schon bedenkenlos miteinander switchen. Henrik Rödl war selbst einer der besten Verteidiger in Europa, und die Spieler bringen den Willen mit, sich defensiv zu engagieren. Das gilt mittlerweile auch für Schröder, dessen gewachsene Verteidigungsmentalität der Bundestrainer auch auf sein NBA-Jahr bei OKC zurückführt.
???? Watch out, World. Dennis Schroder will bring ???? to the #FIBAWC!
— Basketball World Cup (@FIBAWC) August 29, 2019
???????? #DeutschlandGotGame pic.twitter.com/teOh4tLC2m
Kochs Nachschlag
Es ist ein Nationalteam ohne Dirk Nowitzki, es ist nicht die Europameistermannschaft von 1993, aber es ist die wohl stärkste DBB-Auswahl aller Zeiten. Diese Mannschaft hat von der Qualität her auf jeden Fall Viertelfinalkaliber. Ob es am Ende mehr oder weniger wird, hängt von der Tagesform ab und davon, welche Teams sich nach der Vorrunde als nächste Hürden aufbauen werden.
Der deutsche Zwölfer-Kader:
#4 Maodo Lo | FC Bayern München | Point Guard | 54 Länderspiele |
#5 Niels Giffey | ALBA BERLIN | Forward | 68 Länderspiele |
#7 Johannes Voigtmann | CSKA Moskau | Center | 61 Länderspiele |
#8 Ismet Akpinar | Besiktas Istanbul | Guard | 36 Länderspiele |
#10 Daniel Theis | Boston Celtics | Forward/Center | 39 Länderspiele |
#12 Robin Benzing | Tecnyconta Saragossa | Forward | 139 Länderspiele |
#17 Dennis Schröder | Oklahoma City Thunder | Point Guard | 44 Länderspiele |
#21 Paul Zipser | FC Bayern München | Forward | 21 Länderspiele |
#22 Danilo Barthel | FC Bayern München | Power Forward | 47 Länderspiele |
#24 Maximilian Kleber | Dallas Mavericks | Forward/Center | 25 Länderspiele |
#32 Johannes Thiemann | ALBA BERLIN | Forward/Center | 40 Länderspiele |
#42 Andreas Obst | ratiopharm ulm | Shooting Guard | 16 Länderspiele |
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