– Stefan Koch
Vor dem Spitzenspiel des Meisters Brose Bamberg am Sonntag beim Tabellenführer Bayern München, absolviert die Mannschaft von Andrea Trinchieri ein außergewöhnlich anstrengendes Pensum. Das ist alles andere als ideal, könnte aufgrund der Expansionspläne der Euroleague künftig aber noch schwieriger zu vermeiden sein.
Nürnberg, 15. November 2017. Brose Bamberg kassiert im ersten Viertel einen 2:25-Lauf des FC Barcelona und liegt nach zehn Minuten mit 12:38 zurück. Dann schafft die Mannschaft von Andrea Trinchieri eines der größten Comebacks in der Geschichte der Euroleague. Die Franken holen den aussichtslos erscheinenden Rückstand auf und gewinnen die Partie noch sensationell mit 84:81. Was per se schon eine Energieleistung darstellt, vor der man nur den Hut ziehen kann, sollte angesichts der Umstände eine noch größere Würdigung erfahren. Für Bamberg war es seit dem zweiten November die sechste Partie. Am Freitag geht es für den Deutschen Meister in Mailand weiter, bevor dann am Sonntag der Showdown bei den Bayern als die achte Begegnung in 18 Tagen auf dem Programm steht.
Bambergs aktuelle Belastungen
Die Euroleague-Hauptrunde umfasst 30, die der easyCredit-BBL 34 Spiele – und zu diesen 64 Begegnungen könnten noch Pokalspiele (maximal drei) sowie nationale (maximal 15) und internationale (maximal sieben) Playoff-Partien kommen, bei denen alle Akteure ohnehin in den roten Bereich kommen.
Das ist ein gewaltiges Pensum, bei dem zudem ganz besonders die Reisen belasten. In Bamberg gibt es keinen Flughafen, und der am nächsten gelegene Airport in Nürnberg kann oftmals nur als Umsteigestation herhalten. Für internationale Direktflüge müssen Nikos Zisis & Co in der Regel Frankfurt am Main oder München anfahren. Das bedeutet, dass schon rund fünf Stunden vergangen sind, bevor die Akteure in den Flieger steigen. Nur in wenigen Ausnahmefällen (an Doppelspieltagen der Euroleague) chartert der Deutsche Meister eine Maschine.
So wie Donnerstag, als die Bamberger nach dem Mittwochspiel in Nürnberg übernachteten, um dann von dort aus nach Mailand zu fliegen. Aus der lombardischen Hauptstadt geht es dann weiter nach München. Zum Vergleich: CSKA Moskau fliegt bereits seit zehn Jahren ausschließlich Charter.
Euroleague: Zweiter deutscher Startplatz?
Die Euroleague denkt darüber nach, die Zahl der Teilnehmer kurzfristig auf 18 zu erhöhen. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass Deutschland einen zweiten Startplatz erhalten wird. Je nach Konstellation sind in der nächsten Saison sogar drei deutsche Teams in der europäischen Eliteliga denkbar. Denn die Münchner haben die Qualität den Eurocup zu gewinnen – und dann wären im Idealfall noch zwei weitere EL-Plätze aus der easyCredit BBL zu besetzen. Neben der Marke FC Bayern ist sicherlich auch die Weltmetropole Berlin für die Euroleague-Entscheider interessant, die auch viel Wert auf infrastrukturelle Aspekte (Größe und Bekanntheit der Stadt, Größe und Modernität der Arena, Flughafen) legen. Diesbezüglich hat es Bamberg trotz der großartigen sportlichen Darbietungen der letzten Jahre im Vergleich eher schwer, und es wird klar, warum die Themen Metropolregion und neue Halle so stark diskutiert werden beim Deutschen Meister der vergangenen drei Jahre.
Zur Person: Stefan Koch
Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei Telekom Sport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ erscheint regelmäßig auf der Homepage der easyCredit BBL.
Kochs Nachschlag
Wie soll eine Euroleague mit 18 Mannschaften funktionieren? Es müssten wahrscheinlich acht, vielleicht sogar neun Doppelspieltage veranschlagt werden. Viel mehr als die sich daraus ergebenden logistischen Anforderungen sollten die Verantwortlichen den Aspekt der Spielergesundheit im Auge haben. Und: Wie sollen dann die nationalen Ligen ihre Wettbewerbe durchführen? (Eine Frage, die sich unabhängig, aber auch noch zusätzlich zum Terminstreit mit der FIBA stellt.)
Ich sehe folgende Gefahr:
Es könnte verstärkt argumentiert werden, dass das wachsende Euroleague-Programm nur noch mit bedingter Teilnahme an den nationalen Wettbewerben zu bewältigen sei.
Das könnte zu Gedankenspielen führen, dass die Mannschaften aus der Euroleague erst zu den Playoffs in die nationale Meisterschaft ihrer Länder einsteigen sollten.
Und von dort wäre es kein weiter Sprung mehr zur Aufforderung, dass die besten nationalen Klubs nur noch in der Euroleague spielen sollten.
Das aber wäre überhaupt nicht im Sinne unserer Basketball-Fans!