– Stefan Koch
Nach einem BBL-freien Freitag beginnen am Samstag die Halbfinalserien um die Deutsche Meisterschaft mit dem Duell der MHP RIESEN Ludwigsburg gegen den FC Bayern München. Offense, Defense, Rebounding, die Qualität der Starter und die Qualität der Bank – unter diesen Aspekten möchte ich die beiden Mannschaften vergleichen.
Offense
In der Hauptrunde gab es mehr Gemeinsamkeiten als man vermuten mag: In der Offense gehörten beide Teams zu den effektivsten der Liga, wobei die Bayern stark auf Zweipunktewürfe setzten, während die Ludwigsburger extrem zum Dreier tendierten. In den Playoffs hat sich das bei beiden Mannschaften bislang interessanterweise in die andere Richtung verschoben. Zusätzlich ist auffällig, dass die Bayern in der Viertelfinalserie deutlich mehr Assists spielten als in der Hauptrunde. Aber der Umfang dieser Stichprobe ist mit vier Partien natürlich sehr überschaubar. Beide Mannschaften leisten sich grundsätzlich wenig Ballverluste. Ludwigsburg setzt darauf, über 1-1-Aktionen zu scoren oder Lücken zu reißen, die Bayern kommen gerne über das Post-up-Spiel. Insgesamt verfügen sie dank ihres Personals über mehr Möglichkeiten. Deshalb geht der Vorteil hier an die Münchner.
Defense
Das defensive Rating spricht eher für die Ludwigsburger. Ihre Verteidigung lebt von Engagement und extrem hohem Druck am Ball. Das fünfte Spiel gegen Bamberg war ein Paradebeispiel dafür, wie diese Abwehrarbeit den Rhythmus eines Spiels bestimmen kann. Neben der starken individuellen Onball-Defense sind die Schwaben auch abseits des Balles aktiv und aufmerksam, so dass sie Ballgewinne verbuchen. In dieser Kategorie sind die Bayern aber kaum schlechter. Insgesamt tendieren Sie dazu, ihre Verteidigungsanstrengungen auf das Halbfeld zu konzentrieren, wo es ihnen mit ihren Switches häufig gelingt, den offensiven Flow des Kontrahenten einzudämmen. Wenn der Außenseiter Ludwigsburg die Serie gewinnen will, muss er besser verteidigen als München – mindestens auf dem gleichen Niveau wie am Donnerstag gegen Bamberg.
Rebounding
Dieser Faktor dürfte von enormer Bedeutung sein, denn Ludwigsburg erzielt seine Punkte vor allem durch die Anzahl der Würfe. Die Quote ist überschaubar, aber kein anderes Team schließt häufiger ab als die MHP RIESEN, die sich über wenige Ballverluste und starken Einsatz am offensiven Brett zusätzliche Wurfgelegenheiten verschaffen. In dieser Serie treffen die beiden besten Offensiv-Rebound-Teams der Liga aufeinander. Die Bayern rebounden defensiv besser als der Hauptrundenprimus und werfen einen eindeutigen Größenvorteil in die Waagschale, denn Ludwigsburg verfügt nur über drei Spieler, die über zwei Meter sind. Wenn ich alle Parameter berücksichtige, komme ich hier auf ein Unentschieden.
Die Starter
„Die Starter“ ist wahrscheinlich nicht die richtige Überschrift für diesen Abschnitt, denn beide Coaches haben eigentlich keine festen Anfangsformationen. Entsprechend verwende ich den Terminus „die (vermeintlich) beste Line-up“. Jordan Hulls, Jaleen Smith, Yorman Polas Bartolo, Tremmell Darden und Jamel McLean bei Ludwigsburg. Bei den Bayern: Wade Baldwin, D.J. Seeley, Vladimir Lucic, Paul Zipser und Jalen Reynolds. Ludwigsburg verfügt mit Smith über den MVP der Liga, der aber zuletzt nicht in Topform aufgetreten ist. Polas Bartolo muss sich als dreifacher Defensiv-Spieler des Jahres gleich mit zwei Münchner Hochkarätern auseinandersetzen. Sowohl für Lucic (All-Euroleague First Team) als auch für den konstant gut spielenden Zipser ist der Deutsch-Kubaner ein denkbarer Verteidiger. Die Qualität der fünf Bayern ist in Summe höher zu bewerten als die der Ludwigsburger, Vorteil München.
Die Bank
Beide Mannschaften können in dieser Serie vermutlich auf acht ausländische Profis zurückgreifen, wobei ausgerechnet der frühere Ludwigsburger Nick Weiler-Babb bei den Bayern verletzungsbedingt ausfällt. Nimmt man die bisherigen Eindrücke zum Maßstab, dann dürfte Diego Flaccadori eher nicht zum Einsatz kommen und ein kontinuierlicher Wechsel zwischen James Gist und JaJuan Johnson stattfinden. Bei Ludwigsburg scheint mir die Aufstellung vom fünften Viertelfinale (ohne Andrew Warren und Desi Rodriguez) am wahrscheinlichsten. Auf den deutschen Positionen sind die Münchner ohne Nihad Djedovic, für den diese harte Serie nach seiner langen Wettkampfpause wahrscheinlich noch zu früh kommt, etwas unterbesetzt. Die Bayern bringen dennoch geballte Euroleague-Erfahrung von der Bank. Ludwigsburg dürfte die etwas größere Rotation spielen und braucht vor allem Barry Brown als offensive Mikrowelle. Nur wenn er konstant scort, könnte das Pendel Bankspieler zugunsten des Vizemeisters ausschlagen.
Kochs Nachschlag
Die Münchner gehen als leichter Favorit in diese Serie, haben aber auch schon 82 Pflichtspiele in den Beinen. Ludwigsburg ist seit über zwei Jahren zu Hause ungeschlagen. Zahlen und Fakten, die jetzt auf dem Prüfstand stehen. Ich vermute, dass die Mannschaft die Serie gewinnt, die es schafft, mehr Kraftreserven zu mobilisieren.
Zur Person
Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ erscheint regelmäßig auf der Homepage der easyCredit BBL. Außerdem produziert er gemeinsam mit Oliver Dütschke im Zweiwochentakt den Podcast „Talkin‘ Basketball“, der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist.