– Stefan Koch
Roel Moors in Bamberg, Pete Strobl in Braunschweig, Sebastian Gleim in Frankfurt, Thomas Päch in Bonn, Jaka Lakovic in Ulm und Wojciech Kaminski in Weißenfels – mehr als ein Drittel der Liga besetzte vor Saisonbeginn den Sessel des Cheftrainers neu. Welche Eindrücke haben die Newcomer bislang hinterlassen?
Mit Ausnahme des Belgiers Moors und des Polen Kaminski, die in ihren Heimatländern schon die Verantwortung in der höchsten Spielklasse trugen, sind die anderen neuen Übungsleiter Novizen auf Erstliganiveau, wenn man von den Intermezzi von Päch und Lakovic absieht, die jeweils in einer laufenden Saison schon einmal für ihren gefeuerten Vorgesetzten einsprangen.
Roel Moors in Bamberg
Fünf Siege in der Liga und das Pokalviertelfinale erreicht – die Bilanz des neuen Bamberger Headcoaches kann sich sehen lassen, trotz des holprigen Starts in der FIBA Champions League mit zwei Niederlagen zum Auftakt (gefolgt von zwei Siegen). Der ehemalige belgische Nationalspieler bevorzugt an beiden Enden des Feldes einen eher kontrollierten Stil, man könnte die Ausrichtung auch konservativ nennen. Keine Mannschaft nimmt weniger Dreier als der amtierende Pokalsieger (20,2 pro Spiel). Dafür stimmt aber die Auswahl der Würfe, denn Bamberg liefert mit einer Feldwurfquote von 54,4 Prozent den Topwert der Liga ab. Allerdings hat die Mannschaft mit Ausnahme von Berlin eher schwächer einzuschätzende Teams gespielt, deshalb fällt es äußerst schwer zu beurteilen, wie gut die Bamberger wirklich sind.
Pete Strobl in Braunschweig
Der bisherige Ulmer Assistenz-Trainer hat von den Neuen bislang am meisten brilliert: Seine Mannschaft spielt zusammen, ansehnlich und erfolgreich. Der Mix stimmt, die Rollen sind sinnvoll verteilt. Stünde aktuell schon die Wahl zum „Trainer des Jahres“ an, müsste Strobls Name in der Diskussion unbedingt fallen. Aber der 41-Jährige muss auch vorsichtig sein. Seine Affinität zu starker Präsenz in den sozialen Medien birgt Gefahren, vor allem dann, wenn der sportliche Erfolg ausbleiben sollte. Aber nach Letzterem sieht es im Moment nicht aus. Ganz im Gegenteil: Braunschweig ist ein legitimer Playoff-Kandidat. Strobl hatte die Postseason von Anfang an als Ziel formuliert – nicht wenige Skeptiker hatten da noch den Kopf geschüttelt!
Sebastian Gleim in Frankfurt
Der 35-Jährige befindet sich in Frankfurt in einer außergewöhnlichen Situation: Ein Jahr soll er die Geschicke der Bundesligamannschaft lenken, dann ist die Rückkehr von Club-Institution Gordon Herbert geplant. Mit nur fünf Ausländern, von denen Spielmacher Anthony Hickey auch noch zu Saisonbeginn ausfiel, ist die Qualität seines Kaders überschaubar. Mit 9,3 Ballgewinnen (zweitbester Wert nach Braunschweig) setzen Gleims Spieler aber seine Forderung nach aggressiver Verteidigung um. Das Team sucht nach Konstanz: Einem Beinahe-Sieg gegen die Bayern stehen teilweise schwache Auftritte gegenüber. Für einen jungen Coach wirkt Gleim der Mannschaft gegenüber manchmal auffallend distanziert. Das ist aber nur ein äußerer Eindruck, möglicherweise nehmen die Spieler selbst das anders wahr.
Thomas Päch in Bonn
Lehrjahre unter Henrik Rödl, Sasa Obradovic und Aito Garcia Reneses – Thomas Päch hat viele verschiedene Ansätze kennengelernt. Dazu hat er sich stets als loyaler und konstruktiver Mitarbeiter präsentiert. Kein Wunder, dass sein Name schon im Laufe der vergangenen Saison immer wieder fiel, wenn es darum ging, eine Headcoach-Position zu besetzen. Am ehesten versucht der 37-Jährige, den Stil Aitos zu adaptieren, dessen Erlernen und Verinnerlichung aber einige Zeit benötigt. Entsprechend hakt es in Bonn bei der Umsetzung dieses Read-and-React-Basketballs noch deutlich mehr, als es Päch lieb sein kann. Der Pokaltriumph in München war ein echtes Highlight, aber in der Liga steht bislang nur ein hauchdünner Sieg gegen Frankfurt auf der Habenseite.
Jaka Lakovic in Ulm
Viele sehen für den Slowenen den Eurocup-Teilnehmer Ulm als Sprungbrett zu höheren Weihen. Lakovic, der als Spieler einer der besten Point Guards in Europa war, bringt eine Vita mit, die ihn für die Spitzenclubs des Kontinents interessant machen könnte. Bei seiner aktuellen Station dürfte er vor allem daran gemessen werden, wie ihm der Spagat zwischen sportlichem Erfolg und Talententwicklung gelingt. Besonders beobachtet werden die Fortschritte, die Kilian Hayes unter seiner Ägide macht. Nach bislang eher mäßigen Auftritten zeigte die Mannschaft zuletzt eine starke Steigerung und lieferte am Mittwoch bei der 91:92-Niederlage beim Favoriten Bologna trotz eines dezimierten Kaders die bislang beste Saisonleistung ab. Offensiv stabilisieren sich die Ulmer, defensiv müssen sie bezüglich mentaler und physischer Härte noch zulegen.
Wojciech Kaminski in Weißenfels
Nach nur fünf Spielen verließ der 45-Jährige schon wieder die MBC-Bank. Der Klub hat sich dazu geäußert, es wird gemutmaßt, Kaminski leide unter einem Burnout-Syndrom. Das sind Spekulationen, an denen ich mich nicht beteiligen möchte (*), feststeht, dass die Mannschaft unter ihm besser gespielt hat, als es der Tabellenstand mit Platz 15 aussagt. Ballbewegung und Teamplay sahen sehr ordentlich aus; die mehr als 90 Punkte pro Partie belegen dies. Die Verteidigung, die der Pole eigentlich stärker in den Vordergrund rücken wollte, hat hingegen noch Luft nach oben. Jetzt gilt es vor allem, Wojciech Kaminski alles Gute zu wünschen und auf seine baldige Rückkehr zu hoffen. Beim MBC geht es wie immer um den Klassenerhalt – und den sollten die Weißenfelser auf jeden Fall realisieren können.
*Anmerkung der Redaktion: Nach Veröffentlichung dieser Kolumne stellte sich auch heraus, dass die angesprochenen Spekulationen nicht zutreffen, sondern die Entscheidung des Klubs aus sportlichen Gründen getroffen wurde (klick).
Kochs Nachschlag
Strobl hat einen Raketenstart hingelegt. Moors liefert Siege, weiß aber selbst, dass seine Mannschaft noch nicht den besten Basketball spielt. Für die anderen neuen Trainer lief es bislang weniger rund, als sie es sich wahrscheinlich erhofft hatten. Aber komplett negativ ist die erste Zwischenbilanz bei keinem. Es gibt überall auch positive Zeichen, die Anlass für Optimismus sein können. Wir haben erst November! Man sollte allen noch Zeit geben, sich und ihren Stil zu etablieren.
Zur Person
Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ erscheint regelmäßig auf der Homepage der easyCredit BBL.