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Home/Newscenter/„Auf einmal war der Hype nicht mehr da“ - Braunschweigs Flügelspieler Kostja Mushidi über seine Karriere

Gesichter der Liga„Auf einmal war der Hype nicht mehr da“ - Braunschweigs Flügelspieler Kostja Mushidi über seine Karriere

07. November 2019
Kostja Mushidi ist einer der „jungen Wilden“, die in dieser Saison die Fans der Basketball Löwen begeistern. Der 21-Jährige hat viel Potenzial, ihm wurde schon vor Jahren der Weg in die NBA prophezeit. Doch zuletzt lief es nicht rund für den talentierten Guard, es folgte ein Tiefpunkt in seiner noch jungen Karriere. Darüber und über seine Erfahrungen, die er in den vergangenen Jahren im europäischen Ausland gemacht hat, spricht er offen und ehrlich in diesem Interview.

– Basketball Löwen Braunschweig

Kostja Mushidi ist einer der „jungen Wilden“, die in dieser Saison die Fans der Basketball Löwen begeistern. Der 21-Jährige hat viel Potenzial, ihm wurde schon vor Jahren der Weg in die NBA prophezeit. Doch zuletzt lief es nicht rund für den talentierten Guard, es folgte ein Tiefpunkt in seiner noch jungen Karriere. Darüber und über seine Erfahrungen, die er in den vergangenen Jahren im europäischen Ausland gemacht hat, spricht er offen und ehrlich in diesem Interview.

Du bist erst 21 Jahre alt, hast aber schon sehr viel als Basketballer erlebt. Der Ursprung deines Werdegangs war bei Rhöndorf. Wie bist du dort gelandet?

Ich hatte damals zwei Angebote, eins von Bonn/Rhöndorf und das andere kam aus Leverkusen. Beide Standorte waren nicht weit von Düsseldorf, meiner Heimatstadt, entfernt. Aber Bonn/Rhöndorf hat mich mit dem ganzen Programm um ProB, zweiter Regionalliga und dem Internat Hagerhof überzeugt. Das war für damalige Zeiten schon sehr professionell. Und dann war die Entscheidung auch nicht schwer. Ich bin mit 13 Jahren dort hingegangen, habe vier Jahre im Internat Hagerhof gelebt und konnte mich dort entfalten. Das war kein einfacher Schritt und das erste Jahr war sehr schwierig, ich hatte sehr oft Heimweh. Aber nach einem Jahr hatte ich mich gut eingelebt und wohlgefühlt.

Nach vier Jahren in diesem Programm hast du dich im Alter von nicht einmal 18 Jahren entschieden, ins Ausland nach Frankreich zu wechseln. Das war kein Problem für dich?

Eigentlich nicht. Französisch ist meine Muttersprache, weshalb ich damit schon einmal gar kein Problem hatte. Ich wollte gerne im Bonner Programm bleiben, aber das Angebot passte nicht, bzw. erfüllte die Vorstellungen von mir und meiner Familie nicht. Und da ich eine gute Verbindung nach Frankreich hatte und mir Straßburg als Club empfohlen wurde, bin ich da hingegangen. Dort wurde mir nach einem vielversprechenden Gespräch mit Coach Vincent Collet ein Profivertrag angeboten und das hatte ich auch angestrebt.

Du hast aber für Straßburg nur ein Spiel in der ersten Liga bestritten und bist ansonsten für das Nachwuchsteam im Einsatz gewesen. Hast du dich deshalb nach einem Jahr für den Wechsel nach Serbien entschieden?

Ich habe einen guten Job in der Jugendmannschaft von Straßburg (U22) gemacht. Ich hatte mehrere Spiele mit +30 Punkten und konnte mein Potenzial zeigen. Straßburg hatte aber viele gute US-Amerikaner im Profiteam, weshalb es schwer für mich war, Spielzeit zu kriegen. Hinzukommend spielte Straßburg in dem Jahr auch Euroleague, da waren die Erwartungen und Ziele hoch. Und da war das Vertrauen nicht da, mit mir und Frank Ntilikina gleich zwei junge Spieler spielen zu lassen. Ich konnte das nachvollziehen und der Coach sagte mir auch, ich müsse geduldig sein. Aber dann kam das Angebot aus Serbien von Mega Leks (heute Mega Bemax) und ab diesem Zeitpunkt war ich mit meinen Gedanken auch schon woanders.

Wie war das Leben in Serbien bzw. Belgrad? Welche Eindrücke hast du dort gewonnen und was hast du für dich aus dieser Zeit mitgenommen?

Für mich war es am Anfang unvorstellbar, nach Serbien zu gehen. Aber nach einem Besuch direkt im Anschluss an die Straßburg-Saison war alles ganz schnell klar. Das System dort ist nicht stark und deshalb sieht man in Belgrad und Umgebung Armut, arbeitslose Menschen und Leute, die auf der Straße versuchen, Geld zu machen. Man sieht auch noch die Folgen des Krieges, es ist hier und da sehr trist. Das erinnert an die harten Zeiten, die das Land durchmachen musste. Belgrad ist dennoch eine Top-Stadt, mit sehr vielen schönen Orten. Aber die Serben sind hart. Sie sind sehr streng mit sich selbst, mit ihren Familienmitgliedern und ihrem Leben. Da ist nicht viel Platz für Sentimentalität. Alle Serben, die ich kennengelernt habe, sind stark im Kopf und bereit, durch die Hölle zu gehen. Davon konnte ich lernen. Ich glaube, die deutschen Spieler sind in Deutschland teilweise „over-protected“ und haben es hier oft zu gut. In Serbien habe ich viele Schmerzgrenzen überschritten, von denen ich nicht glaubte, dass ich es könnte. Aber es macht einen Spieler stärker, Hürden zu nehmen. Das habe ich bei den Serben gemerkt, sie sind mental extrem stark, vielleicht nicht die besten Athleten, nicht die besten Spieler – aber Spieler wie Lucic oder Djedovic sind mental einfach Tiere.

Das heißt, die Zeit in Belgrad hat dich mental abgehärtet und zu einem reiferen Spieler gemacht?

Ja, auf jeden Fall. Man kann das vielleicht auch in der Bundesliga sehen, dass ich für mein Alter relativ reif bin. Das hängt damit zusammen, dass ich mit 18 Jahren in der Adria Liga ins kalte Wasser geworfen wurde. Aber ich habe die serbische Mentalität auch ein bisschen akzeptiert bzw. angenommen. Das heißt, keine Angst zu haben, sondern selbstsicher zu sein. Das Problem bei vielen deutschen Basketballern ist auch, dass sie Angst haben, zu werfen oder Verantwortung zu übernehmen. Und da fängt es schon an. Ich habe früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen - egal, ob ich 0 von 6 aus dem Feld bin oder 6 von 6. Es geht darum, weiter den Wurf zu nehmen und mein Spiel zu machen. Und dann kommen gute Sachen dabei heraus.

2016 bist du beim Albert-Schweitzer-Turnier MVP geworden, 2017 warst du beim Nike Hoop Summit Topscorer der Weltauswahl und man sprach von dir als „NBA-Prospect“. Du bist auch mit dem Ziel nach Serbien gegangen, um den NBA-Plan voranzutreiben. Allerdings ist der bis jetzt nicht aufgegangen. Was hat dich gestoppt?

Ich habe in der Vergangenheit einige Fehler gemacht und wenn ich die nicht gemacht hätte, dann wäre ich jetzt wahrscheinlich in der NBA. Ich habe Sachen gemacht, die ein normaler Jugendlicher macht, habe aber mit 17 Jahren nicht realisiert, dass ich ein Profi-Sportler bin. Wenn man mit 17 oder 18 gesagt bekommt, dass du ein NBA-Prospect bist, du bald Millionär sein wirst und dass alles super ist, was du machst, dann ruht man sich irgendwann im Unterbewusstsein darauf aus und passt auch weniger auf sich selbst auf. Ich war einfach auf Wolke 7, habe das mit Nightlife und allem drum und dran genossen und in Belgrad ein schlechtes Bild von mir abgegeben, auch NBA-Scouts gegenüber.

Vor allem in meinem ersten Jahr in Belgrad bin ich am Rad gedreht. Aber meine Fußverletzung hat mir gezeigt, dass alles ganz schnell vorbei sein kann. Auf einmal war der Hype nicht mehr da. Ich wurde anders wahrgenommen und musste sehr in Serbien kämpfen. Ich hatte Probleme, mental auf ein Level zurückzukommen, um jeden Tag hart trainieren zu können. Ich war eine zeitlang wirklich erschüttert, dass alles so schnell ging – dass ich vom Star und NBA-Prospect zum „Comeback Kid“ und „Kriegt der noch die Kurve“-Typen runtergefallen bin. Ich hatte davor nie den Gedanken, dass ich fallen könnte. Aber ich konnte aus dieser Phase sehr viel lernen und bin durch dieses Tief mental sehr stark geworden.

Im zweiten Teil des Interviews hier auf der Homepage der Basketball Löwen spricht Kostja Mushidi über seinen Start in Braunschweig, wie er zurück zu alter Stärke fand und gibt einen Einblick in seine Zukunftsplanung.