– Frank Weiss
Franz Wagner gehört zu den größten Talenten seines Jahrgangs. Jetzt muss sich der 17-Jährige entscheiden: Profivertrag bei seinem Heimatklub ALBA BERLIN oder Wechsel ans College wie sein Bruder Moritz?
Franz Wagner bestellt eine Apfelschorle. Wir sitzen im VIP-Raum der Mercedes-Benz Arena. ALBA BERLIN hat gerade RASTA Vechta deutlich geschlagen, nur drei Tage nach der Niederlage im EuroCup-Finale gegen Valencia. Durch den tiefen Run auf internationaler Bühne mussten die Berliner einige Spiele in der BBL nachholen. Die Partien kamen Schlag auf Schlag. Ablenkung ist da eigentlich nicht angesagt.
Doch für den 17-jährigen Wagner, der Anfang Mai von der BBL zum „Besten deutschen Nachwuchsspieler U22“ ausgezeichnet wurde, ist es derzeit nicht einfach, im Hier und Jetzt zu leben. Von „Spiel zu Spiel zu denken“, wie die berühmte Floskel sagt. Denn das Berliner Talent nähert sich einem Scheideweg seiner jungen Karriere: College oder Profivertrag bei seinem Heimatklub?
Mit jedem Spiel, mit jedem Distanzwurf, den er versenkt, wird die Frage dringender gestellt. Die Fans, die lokalen Medien in Berlin wollen wissen, wie es mit ihm weitergeht. „Natürlich sind meine Gedanken immer mal wieder bei meiner Zukunft“, gesteht Wagner. „Doch gerade jetzt, im Saisonendspurt mit vielen Spielen und den anstehenden Playoffs, versuche ich, nicht zu viel daran zu denken. Ich werde die Entscheidung im Sommer treffen.“
Die Verlockung College
Im Hintergrund amüsiert sich Bruder Moritz mit den vielen Freunden und Bekannten, die er in Berlin noch hat: ALBA-Forward Tim Schneider oder Guard Derrick Walton jr., mit dem er in Michigan für die Wolverines spielte. Moritz Wagner ging den Weg ans College, spielt seit vergangenem Sommer für die Los Angeles Lakers. LeBron James ist sein Mannschaftskollege.
Näher kann Franz Wagner nicht erleben, was möglich ist: College – March Madness inklusive Final Four – 1. Draft-Runde – garantierter Vertrag in der NBA. Seinen Bruder, den er 2018 als jüngsten ALBA-Spieler ablöste, bezeichnet er als Vorbild. Was wäre da logischer, als auch diesen Weg zu gehen? Zumal er von drei Colleges mehr oder weniger feste Zusagen hat: natürlich von Michigan, außerdem von Stanford und Butler, wie Wagner bestätigt. Vertreter der Elite-Uni Stanford waren sogar schon in Berlin. Michigan kennt er von Besuchen bei seinem Bruder. LaVall Jordan, der Coach der Butler Bulldogs aus Indianapolis, war zuvor Assistent bei John Beilein in Michigan.
Das sorgt für viel Ablenkung: Denn regelmäßig wird vonseiten der Colleges der Kontakt gesucht, nach Spielen Feedback gegeben. „Das Recruiting am College ist schon speziell“, sagt Franz. „Damit muss man umgehen lernen. Doch ich denke, ich bin nicht der einzige junge Spieler, den das betrifft.“
Bisher steckt Wagner den Rummel erstaunlich gut weg, spielt selbstbewusst, nutzt seinen guten Distanzwurf. Unter Coach Aito hat er seinen festen Platz in der Rotation, meist noch vor Kenneth Ogbe, der im Sommer zu ALBA kam – vom College. Zwei Tage nach dem Gespräch legt Wagner beim Sieg gegen den MBC mit 16 Punkten einen neuen Karrierebestwert auf. Hinzu kamen zwei Assists und drei Steals. Der Spanier lässt ihn meist auf der Zwei spielen – trotz seiner Größe. Gelistet ist Wagner zwar noch mit 2,01 Metern, doch er selbst schätzt sich inzwischen auf 2,03 oder 2,04 Meter. Bei einer Vermessung wurde seine endgültige Körpergröße auf 2,06 Meter prognostiziert. Es könnte also noch der eine oder andere Zentimeter hinzukommen.
Der Spieler Franz Wagner
Im Trainerstab von ALBA sehen sie Wagner als „kreativen Spieler“. Die Zukunft für ihn sieht Coach Aito aber eher auf der Drei. „Er spielt viel auf der Zwei, da wir dort Verletzungsprobleme hatten. Seine Position im Moment ist eigentlich die Drei“, sagt der Spanier. Er sieht sogar noch eine Option für ihn – die Vier, wie Bruder Moritz. Der ist mit 2,11 Metern allerdings ein Stück größer. „Das hängt davon ab, wie sich Franz physisch entwickelt“, erklärt Aito. „Pau Gasol und Kristaps Porzingis haben bei mir zum Beispiel zunächst auf der Drei gespielt, da sie körperlich noch nicht so weit waren, um Inside zu spielen. Für einen guten Spieler ist es nicht schwer, sich auf eine andere Position einzustellen. Er ist clever genug, dass dies auch ihm gelingen kann.“
Franz selbst sagt, er wolle auf jeden Fall außen spielen. „Ich denke, heute ist zwischen der Zwei und der Drei nicht mehr so ein großer Unterschied. Mit meiner Größe und den Skills, die ich bis jetzt erworben habe, passe ich in den modernen Basketball: Ich kann werfen, dribbeln und Entscheidungen treffen.“
Sein Entscheidungsverhalten hat er schon früh trainiert. Während der U14 bei ALBA fiel er fast ein Jahr mit einer Knieverletzung aus. Trotzdem erschien er bei jedem Training. Um ihn zu beschäftigen, machten die Coaches mit ihm visuell-kognitive Koordinationsübungen – Situationen erkennen, entsprechend reagieren. Er lernte so schnell, „dass wir uns immer wieder etwas Neues einfallen lassen mussten“, erinnert sich ALBA-Jugendcoach Marius Huth. Noch heute trainiert Wagner das Entscheidungsverhalten mit Individualcoach Carlos Frade. Auch Aitos Assistenztrainer Thomas Päch kennt Franz und Moritz Wagner schon lange. Er lobt: „Sie sind in der Lage, Dinge zu verstehen und umzusetzen. Das ist ihre Stärke."
Das zeigt sich auch auf dem Parkett. Niemand erwartet von Franz in jedem Spiel 16 Punkte. Er soll Entlastung bringen, sich entwickeln dürfen. Er profitiert davon, dass er bereits im vergangenen Jahr – mit 16! – das Abitur gemacht hat und deshalb jetzt bei jedem Training der Profis dabei sein kann. Und so fügt sich der 17-Jährige fast nahtlos in die Rotation ein. Es gibt keinen Bruch, wenn er kommt. Er versteht das System von Aito, das auf dem Lesen des Spiels beruht. Auch wenn er oft von der Dreierlinie scort, sieht er immer wieder die Lücken in der Verteidigung, macht die richtigen Cuts zum Korb. Vielleicht könnte er noch öfter den Drive suchen.
„Ich bin sehr zufrieden mit ihm“, sagt Coach Aito. „Er lernt und spielt sehr clever. Er setzt die Dinge gut um, und er wird physisch stärker. Das ist sehr wichtig.“ Sein kluges Entscheidungsverhalten zeigt sich auch in seinen Turnovern – die es selten gibt. Zum Beispiel in der EuroCup-Finalserie gegen die abgezockten Profis von Valencia: Immerhin elf Minuten spielte Wagner in den drei Spielen im Schnitt und verlor nicht einen Ball. In 22 internationalen Spielen waren es diese Saison insgesamt nur fünf Ballverluste. Auch in der BBL sind es lediglich 0,4 im Schnitt.
Zweifel weckt bei einigen Beobachtern seine Defensive, besonders auf der Guard-Position. Hier ist er aufgrund seiner Größe derzeit naturgemäß etwas langsamer. Doch auch hier macht er seine Sache ordentlich. Er will verteidigen, hat den Ehrgeiz, seinen Gegner zu stoppen, und nutzt dafür auch seine langen Arme. „An meiner Defensive und an meinem Körper muss ich arbeiten“, gesteht Franz. „Die Beine müssen stärker werden, und der Rumpf. Dann werde ich auch in der Verteidigung schneller. Die Instinkte sind schon da. Offensiv arbeite ich am Ballhandling und dem Passen.“
Der 17-Jährige könnte auch in der kommenden Saison noch NBBL spielen. Bei seinen neun Einsätzen für Kooperationspartner Lok Bernau in der ProB kam er im Schnitt auf 16,3 Punkte, versenkte 38,8 Prozent seiner Dreier. Im Spiel gegen die OrangeAcademy erzielte er 37 Punkte.
Die Aussichten
Draftexpress lobte bereits vor zwei Jahren seinen geschmeidigen Wurf, sein flüssiges Spiel, sein Spielverständnis und den Willen zu verteidigen. Dort wird er heute als potenzieller Erstrunden-Pick für 2020 gesehen. Doch das dürfte nicht das Ziel von Franz Wagner sein … den kompletten Artikel gibt es in der neuen BIG. Die neue Ausgabe ist ab sofort im Handel erhältlich! Abonnenten haben sie bereits eine Woche früher im Briefkasten! Außerdem gibt es im Heft noch folgende Themen:
Mit 16 Jahren als jüngster Berliner aller Zeiten debütiert, mit 17 schon ein Europapokalfinale in der Vita, dazu fest in der Rotation von @albaberlin - Franz Wagner!
— easyCredit BBL (@easyCreditBBL) 6. Mai 2019
Weitere Infos findet Ihr unter:https://t.co/yuZVNuvx9H #BurningforBasketball #easyCreditBBL pic.twitter.com/EqdQPH7ibY
Inhalt:
Der große BIG Playoff-Check. Thema des Monats: Alle Teams, alle Kandidaten. Stärken, Schwächen, Key-Player und die Chancen im Titelkampf
Danilo Barthel. Bayerns Nationalspieler spricht im Interview über die EuroLeague-Saison, die Titel-Chancen und die WM
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