Es ist weder für die Klubverantwortlichen noch für die Coaches besonders angenehm, wenn in der laufenden Saison Informationen über anstehende Trainerwechsel an die Öffentlichkeit gelangen. Ist dies erst einmal passiert, wird damit ein Mechanismus in Gang gesetzt, der die Medien antreibt, die durch und auf die erste Veränderung folgenden Bewegungen zu recherchieren. Das Trainerkarussell liefert das Material für das Journalismus-Karussell. So ist es auch in den letzten Wochen gewesen, nachdem die Entscheidung von Anton Gavel durchsickerte, von Ulm nach Bamberg zu wechseln. Mittlerweile wissen wir, dass Ty Harrelson den Meistertrainer beerbt und Martin Schiller dessen Nachfolger in Vechta wird. Diese Personalrochaden wurden schon vor Veröffentlichung in Insiderkreisen hinter vorgehaltener Hand kolportiert.
Jetzt brodelt die Gerüchteküche schon wieder: John Patrick soll nach zwei Jahren in Japan nach Ludwigsburg zurückkehren. Die Wahrscheinlichkeit dafür darf man als hoch beziffern, so dass sich Josh King trotz einer Halbfinalteilnahme in seiner Debütspielzeit und des noch nicht geklärten Resultats dieser Saison voraussichtlich einen neuen Job suchen muss. Dagegen ist sicher, dass Sasa Filipovski weiter in Würzburg an der Seitenlinie stehen wird. Der umworbene Slowene hat ein neues Arbeitspapier unterschrieben, das ihn bis 2027 an die Unterfranken bindet.
Die (vermutlichen) Gründe für die Klubentscheidungen
Für den neunmaligen Deutschen Meister aus Bamberg ist die Verpflichtung von Tono Gavel ein echter Coup. Der ehemalige Meisterspieler unter Chris Fleming ist ein Liebling der Fangemeinde in Freak City und hat in seiner ersten Saison als BBL-Headcoach in Ulm bewiesen, dass er auch als Trainer über herausragende Fähigkeiten verfügt. Mit Ty Harrelson hat der Deutsche Meister einen neuen Übungsleiter gefunden, der gut zur Klubphilosophie passen sollte. Der 43-Jährige war (und ist) in Vechta nicht nur extrem erfolgreich. Er hat auch Spieler in ihrer individuellen Entwicklung vorangebracht und bevorzugt einen „modernen Basketball“, wie der Ulmer Sportdirektor Thorsten Leibenath betont. Martin Schiller, der neue Mann in Vechta, verfügt über Erfahrung in der G-League, der Euroleague und der ACB. Da ich mit Martin zusammenarbeiten durfte, darf man mir bezüglich der folgenden Aussage den Vorwurf der fehlenden Neutralität machen, die ich aber aus voller Überzeugung treffe: Martin Schiller ist die beste Wahl, die RASTA treffen konnte.
John Patrick ist eine Institution bei den MHP RIESEN Ludwigsburg. Der Amerikaner war neun Jahre Cheftrainer bei den Barockstädtern und fungierte in den vergangenen beiden Spielzeiten von Japan aus als Berater für den Klub. Sein Wunsch zurückzukehren, dürfte beim Vorsitzenden Alexander Reil angesichts der Erfolge, die Patrick feierte, auf offene Ohren gestoßen sein. Da die Familie des 56-Jährigen immer noch in Ludwigsburg lebt, kann man wieder von einem langen Engagement ausgehen. Ein solches zeichnet sich immer mehr auch für Sasa Filipovski in Würzburg ab. Angesichts der hervorragenden Arbeit des Coaches war es ein „no brainer“ für die Verantwortlichen, mit ihm zu verlängern.
Arbeitsbedingungen und Perspektiven
Die Arbeitsbedingungen werden an allen Standorten gut sein. Gavel kann mit Arne Woltmann und Stefan Weissenböck auf hochqualifizierte Assistenten zurückgreifen, die er seit mehr als einem Jahrzehnt kennt und denen er vertraut. Die sportliche Perspektive ist im Moment überschaubar, aber der 39-Jährige hat diese Entscheidung in erster Linie für seine Familie getroffen. Harrelson hat in Ulm mit Tyron McCoy (ja, auch hier bin ich voreingenommen) einen exzellenten Mann an seiner Seite. Die Teilnahme am europäischen Wettbewerb ermöglichen dem neuen Head Coach zusätzliche Erfahrungen und einen größeren Bekanntheitsgrad. Auch in Vechta bleiben mit Miguel Zapata und Marius Graf die bewährten Co-Trainer. Schiller hatte zuvor andere Angebote abgelehnt und möchte das Programm fest in der ersten Liga verankern. In Ludwigsburg dürfte erneut David McCray an der Seite von Patrick stehen, was für eine reibungslose Zusammenarbeit von Anfang an sorgen wird. Bei den Schwaben dürfte es darum gehen, den Status als Playoff-Dauergast zu sichern. In Würzburg spricht Filipovskis neuer und langfristiger Vertrag dafür, dass sich die finanziell überschaubare Situation bei den Unterfranken verbessert und das seit mehr als einem Jahrzehnt schwebende Thema einer neuen Halle final Fahrt aufnimmt (Update: Passend dazu dieses Interview aus der Main-Post mit dem neuen Gesellschafter Wolfgang Heyder). Es ist davon auszugehen, dass er seinen Landsmann und Vertrauten Dejan Mihevc als Assistenten behalten wird.
Kochs Nachschlag
Mit Anton Gavel und Ty Harrelson werden zwei Coaches am Saisonende ihren Verein verlassen, mit Josh King wahrscheinlich ein dritter. Ich habe am Wochenende alle drei Teams vor Ort erlebt. Während bei Ulm und Vechta keinerlei Lame-Duck-Anzeichen erkennbar waren, brachen die Ludwigsburger in der zweiten Halbzeit ein. Es wäre zu einfach, dies den Meldungen über eine anstehende Patrick-Rückkehr zuzuschreiben. Aber dadurch wird die Entwicklung bei den MHP RIESEN in den nächsten Wochen genau beobachtet werden.

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei Dyn, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere, Sportdigital und MagentaSport tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag". Außerdem produziert er gemeinsam mit Oliver Dütschke im Zweiwochentakt den Podcast „Talkin‘ Basketball“, der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist.