– Stefan Koch
Ein Dienstag als Saisonstart – dies ist genauso gewöhnungsbedürftig wie das vorübergehende Format mit 17 Mannschaften. Aber das sind nicht mehr als Randnotizen angesichts der Spieler, auf die wir uns freuen dürfen – und auf die ich im ersten Teil meiner Kolumne zum Beginn der Saison 2019/20 eingehen möchte:
Der Dauerbrenner und der Rückkehrer
Beginnen wir mit dem Phänomen: Der ewige Rickey Paulding ist mittlerweile der älteste Spieler der Liga. Aber angesichts seiner Leistungen ist er kein Oldie, sondern ein Evergreen. Seit zwölf Jahren läuft der Amerikaner im Oldenburger Trikot auf und hat nicht nur wegen dieses langen Zeitraums einen immensen Einfluss auf die Liga gehabt. Paulding war Meister und Pokalsieger und wird von den Fans an allen Standorten verehrt, was die dreimalige Auszeichnung als Most Likeable Player unterstreicht. Die Interviews nach Oldenburger Heimspielen mit seiner Tochter auf dem Arm (siehe Ende des Videos rechts) versetzen auch Zuschauer in Verzückung, denen es nicht ausschließlich um sportliche Aspekte geht. Ich kann euch nur raten: Habt auch in dieser Spielzeit wieder ein Auge auf den Methusalem der Liga, der mit seinen 36 Jahren älter ist als die beiden Head Coaches Pedro Calles (Vechta) und Sebastian Gleim (Frankfurt).
Älter als zumindest Gleim ist auch Heiko Schaffartzik, der Rückkehrer der Saison, zu dem die Öffentlichkeit allerdings ein deutlich ambivalenteres Verhältnis als zum Oldenburger Forward pflegt. Aber schreien nicht immer alle nach sogenannten Typen, nach Spielern, die sich aus der Konformität der Masse abheben? Heiko ist ein solcher Spieler – und ich weiß, wovon ich schreibe, denn ich durfte ihn coachen. Der gebürtige Berliner ist geradlinig, risikofreudig und kann ein Spiel drehen. Ich freue mich jedenfalls riesig, dass er mit 35 Jahren und nach vier Spielzeiten im Ausland noch einmal den Weg zurück nach Deutschland gefunden hat. Welcome back, Heiko!
Mit Assem Marei, der nach seinem einjährigen Türkei-Intermezzo in Bamberg nun seine zweite fränkische Station vor der Brust hat, gibt es einen weiteren interessanten Rückkehrer, aber in seiner Bedeutung reicht er nicht an Schaffartzik heran.
Die interessantesten Newcomer
Ich muss hier nicht die komplette Liste der bisherigen NBA-Spieler in der Liga aufführen, um zu belegen, dass mit Greg Monroe der bislang wahrscheinlich beste Akteur aus der US-Profiliga nach Deutschland kommt. Karrierewerte von 13,2 Punkten und 8,3 Rebounds bei 659 Auftritten zeugen von einer Qualität, die noch über der eines Bostjan Nachbar (Bamberg, 2012/2013) oder Derrick Williams (München, 2018/2019) liegen sollte. Hält diese Entwicklung an, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann LeBron James oder Stephen Curry in der BBL aufschlagen! Oder doch nicht?
Könnte Makai Mason bei der deutschen Nationalmannschaft auf den im Vergleich zum starken Frontcourt eher schwächer besetzten Guard-Positionen weiterhelfen? Bislang war das schwer einzuschätzen, denn Mason hat zwar 15 Länderspiele bestritten, stand jedoch für die DBB-Auswahl noch nie bei einem großen Turnier auf dem Parkett. Nach seiner College-Zeit (Video rechts) beginnt er in Berlin seine Profilaufbahn. Er selbst und wir können uns bei seinen Auftritten in der Liga und in der Euroleague jetzt ein realistischeres Bild verschaffen, wozu er fähig ist.
Kostja Mushidi galt im unglaublich talentierten Jahrgang 1998 immer als größte Hoffnung hinter Isaiah Hartenstein. Nach einem Jahr in Frankreich und drei Spielzeiten in Serbien darf sich der Shooting Guard nun erstmals in Deutschlands höchster Spielklasse beweisen. Auch bei ihm geht es darum zu belegen, dass er ein Kandidat für die DBB-Auswahl sein kann.
Die spannendsten Projekte
Bleiben wir bei Mushidi, der in Braunschweig zusammen mit Karim Jallow, Lars Lagerpusch, Garai Zeeb und Lukas Wank die deutschen Minuten in der Rotation spielen wird. Keiner dieser Spieler ist älter als 22. Dazu trägt mit Pete Strobl ein Rookie die Verantwortung als Head Coach. Die Basketball Löwen haben Potenzial, aber das Pegel kann in beide Richtungen ausschlagen.
Das aufregendste individuelle Projekt haben die Ulmer im Programm. Ein Teenager als Starter auf der Spielmacherposition? Diese Konstellation hat in diesem Jahrzehnt in der Basketball-Bundesliga noch kein Verein ernsthaft angedacht. Doch jetzt möchte ratiopharm ulm diesen Weg gehen. Der dafür Auserkorene ist allerdings auch ein besonderes Juwel. Mit dem 18jährigen Killian Hayes konnten die Ulmer eines der größten Talente seiner Altersklasse in Europa unter Vertrag nehmen. „Killian ist das Risiko wert. Er bringt von den Anlagen her alles mit, was ein moderner Point Guard braucht“, sagt Jaka Lakovic. Der neue Ulmer Head Coach war selbst einer der besten Spielmacher in Europa. Vielleicht denkt er beim dem Begriff Risiko nicht nur an die überschaubare Erfahrung von Killian Hayes im Männerbereich, sondern auch an die Gesamtsituation. Mit Routinier Per Günther steht nur noch ein weiterer Akteur für diese eminent wichtige Position zu Verfügung, der nach seiner Kniearthroskopie in der Endphase der vergangenen Saison auf der Suche nach seiner Form war. Auf der anderen Seite könnte ein gesunder Günther der großen Nachwuchshoffnung die Starterrolle streitig machen.
Die sechs deutschen WM-Teilnehmer
Einen kurzen Blick wollen wir auch auf die sechs deutschen Nationalspieler werfen, die erst die Weltmeisterschaft in China gespielt haben, und kurz danach bei uns in die Saison starten.
Für Maodo Lo sollte es in der kommenden Spielzeit darum gehen, sich stärker als Point Guard zu etablieren, da im Backcourt der Bayern eigentlich nur Combos unterwegs sind. Andreas Obst muss sich jetzt entscheiden, ob er ein Dreierspezialist sein möchte oder seinem Spiel weitere Facetten hinzufügen will. Wählt er erstere Option, sollte er an den 50% Trefferquote von Downtown kratzen. Paul Zipser möchte mittelfristig zurück in die NBA. Im Bayernkader wird er allerdings nur ein Rollenspieler sein. 2016 wurde er aufgrund seines Potenzials gedraftet, jetzt mit 25 muss er (auch statistisch) stark performen, um den Schritt ein zweites Mal zu gehen.
Um Danilo Barthel mache ich mir eigentlich nie Sorgen. Er wird mit seiner Stabilität auch in der kommenden Saison ein unverzichtbarer Leistungsträger des Deutschen Meisters sein. Johannes Thiemann kam bei der WM nur zu einem Kurzeinsatz. Ich habe manchmal den Eindruck, dass seine alte Athletik nach der schweren Verletzung in Ludwigsburg immer noch nicht komplett zurückgekehrt ist. Im zweiten Jahr sollte er das komplexe Berliner System (noch) besser verinnerlichen können. Niels Giffey (Video rechts) dürfte bei den Albatrossen die gleiche Rolle wie in der Vergangenheit einnehmen. Seine Variabilität, drei Positionen spielen zu können, und seine Bereitschaft, sich in den Dienst der Mannschaft zu stellen, zeichnen den Kapitän aus.
Kochs zweiter Teil der Kolumne zum Saisonstart erscheint am Montag und da geht es dann um die interessantesten deutschen U22-Spieler und eine Einschätzung der Teamkader generell.
Zur Person
Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ erscheint regelmäßig auf der Homepage der easyCredit BBL.