Wenn der Spielbetrieb in den nationalen Ligen, in den internationalen Vereinswettbewerben der FIBA und im Eurocup während der Saison ruht, weiß der beflissene Basketballfan, dass ein Qualifikationsabschnitt für ein großes Nationalmannschaftsturnier auf dem Programm steht. Am Freitag startet die DBB-Auswahl in die Qualifikation für die WM 2027.
Ich möchte die 17 Spieler des ersten Kaders, der den Titelverteidiger durch die beiden Auftaktpartien gegen Israel und auf Zypern manövrieren soll, anhand ihrer Chancen bei der WM in Katar den Zwölferkader zu schaffen, in drei Gruppen analysieren.
Minimale Chancen auf die WM-Teilnahme
Zwölf der 17 nominierten Spieler stehen aktuell in der easyCredit BBL unter Vertrag, aber Alex Mumbru hat auch wieder Überraschungen parat. Bereits im letzten Jahr nominierte der Bundestrainer in Kay Bruhnke einen im Ausland auflaufenden Spieler, den die breite Basketballöffentlichkeit hierzulande kaum auf dem Schirm hatte. Nach einem wenig erfolgreichen Abstecher in die Türkei ist der 24-Jährige nach Litauen zurückgekehrt und trägt jetzt das Trikot von Rytas Vilnius, dem großen Rivalen von Zalgiris Kaunas. Auch wenn er vor drei Wochen im Champions-League-Vergleich mit Heidelberg 14 Punkte und sechs Rebounds besteuerte, sind seine Chancen auf Katar angesichts des großen Angebots an starken Forwards äußerst gering.
Noch überraschender als Bruhnke im letzten Jahr ist jetzt Mahir Agva auf der DBB-Bildfläche erschienen. Bereits seit 2019 spielt der Center, der in Tübingen ausgebildet wurde, in der Türkei, aus der seine kurdischen Eltern stammen. Agva überzeugt vor allem als Rebounder, aber auch auf seiner Position gibt es eine Vielzahl besserer Spieler, und bei der WM wäre er über 30 Jahre alt. Selbst wenn er für eine unwahrscheinliche Rolle am Ende der Rotation in Frage käme, wäre es sinnvoller, sie mit einem jüngeren Spieler zu besetzen.

Neben ihm sind auch Till Pape und Collin Welp, der Sohn des verstorbenen EM-Helden Christian Welp (Siegkorbschütze im Finale und MVP der EM 1993), noch ohne Länderspiel. Für dieses Duo gilt grundsätzlich die gleiche Einschätzung, zumal auch sie keine Youngsters mehr sind. Welp könnte allerdings im jetzigen FIBA-Fenster fast auf den Tag genau 28 Jahre nach dem letzten Nationalmannschaftseinsatz seines Vaters (29. November 1997 gegen Slowenien) debütieren, was für ihn bestimmt sehr besonders wäre.
Für Joshua Obiesie und Jonas Mattisseck sieht die Kader-Situation ein wenig besser aus. Obiesie zeigt sich bislang als der beste Punktesammler in Braunschweig, und der Urberliner Mattisseck ist eine aggressive Defensivklette der Extraklasse. Aber die beiden Linkshänder müssen sich nicht nur hinter den schon lange in der Nationalmannschaft etablierten Guards anstellen, sondern auch hinter den beiden Herren, zu denen ich jetzt komme.
Überschaubare Chancen auf die WM-Teilnahme
Nelson Weidemann war der letzte Cut vor der EM in diesem Jahr. Allein schon deshalb muss der Ulmer hier genannt werden. Und Malte Delow bietet einfach ein interessantes Gesamtpaket. Der Albatros kann offensiv und defensiv alle Außenpositionen spielen, macht wenig Fehler und ist hochgradig teamorientiert. Er verfügt über das perfekte Skill- und Mindset, um einer Mannschaft auch bei äußerst geringen Minuten zu helfen. Diesen Integrationswillen bringt auch Christian Sengfelder mit, der nach einem Jahr in Frankreich in Ulm unterschrieben hat. Aufgrund seines Auftretens bei der EM 2022 weiß man beim DBB, dass seine grundsätzliche Bereitschaft mit keinerlei Ansprüchen verbunden ist. Allerdings wäre er beim WM-Endturnier bereits 32 Jahre alt.
Louis Olinde galt lange Zeit als eines der vielversprechendsten Talente in Deutschland, konnte sein Potenzial auch aufgrund von Verletzungen aber nie in vollem Umfang abrufen. Sein Dreier fällt in Manresa besser als in der Saison zuvor in Berlin, aber um den Status des Reservekandidaten abzulegen, bedarf es einer größeren Steigerung.

Norris Agbakoko verfügt zwar noch über keinerlei Länderspielerfahrung, aber dennoch bieten sich ihm mehr als minimale Chancen. Big Men sind normalerweise eher Spätentwickler, weshalb seine besten Jahre noch bevorstehen sollten. Bei der EM gab es einen Platz für einen „wirklich langen Mann“. Diesen nahm Leon Kratzer ein. Angesichts seiner geringen Einsatzzeiten in München und der Nichtnominierung für dieses Fenster gehe ich davon aus, dass er diesen Spot nicht noch einmal erhalten wird. Aber sollte Isaiah Hartenstein zum Team stoßen, dürfte es für Agbakoko mehr als nur eng werden.
Kochs Nachschlag
Aber auch wenn der NBA-Champion wie in den vergangenen Jahren nicht dabei sein sollte, gäbe es Konkurrenz von der jungen Innenspielergarde, die im zweiten Teil erwähnt werden, in dem ich über die Spieler des aktuellen Kaders schreibe, denen ich die meisten Chancen auf eine WM-Teilnahme zugestehe. Darunter sind fünf Etablierte, aber auch ein Youngster.

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei Dyn, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere, Sportdigital, DAZN und MagentaSport tätig, sowie als Scout für die NBA. Im Podcast "Talkin‘ Basketball", der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist, sprechen er und Oliver Dütschke regelmäßig mit Protagonisten aus der deutschen Basketballszene. Seine Kolumne zum BBL-Geschehen findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag".


















