Tibor Pleiß nach Vechta! Diese Schlagzeile sorgte am Mittwoch für reichlich Gesprächsstoff. Einen Tag nach dessen 36. Geburtstag verkündeten die Niedersachsen die Verpflichtung des zweimaligen Euroleague-Champions, der damit den Saisontrend der BBL-Rückkehrer nicht nur verstärkte, sondern gleich zum prominentesten der elf deutschen Rückkehrer in die Liga avancierte. Die Fans und die Medien sind immer auf der Suche nach Spielern, die über Identifikationspotenzial verfügen – und natürlich werden dafür auch gerne einheimische Profis genommen. Das war aber zuletzt nicht so leicht, weil die aktuellen deutschen Topstars – bis auf die Ausnahmen beim FC Bayern München – allesamt in der NBA oder in der Euroleague spielen, und die großen Talente abgesehen von Jack Kayil nun am College auf Korbjagd gehen. Dafür sind seit dem Saisonende viele gestandene deutsche Profis zurück in die heimische Beletage gekommen – und nun nach dem ersten Saisonviertel möchte ich ihren Einfluss bei ihren Teams bewerten.
Spieler, die während der Saison aus dem Ausland zurückkehrten
Bei Tibor Pleiß (109 Länderspiele) ist das natürlich noch nicht möglich, aber mit Liga-Topscorer Alonzo Verge Jr. und dem verletzten Tommy Kuhse wird er mit zwei Guards spielen, die über die Fähigkeiten verfügen, ihn gut einzusetzen. Der 109-fache Nationalspieler kann den Dreier aus dem Pick and Pop treffen und ist damit neben Philipp Herkenhoff (42,9 Prozent Dreierquote diese Saison) bei Vechta der zweite Big Man mit sicherem Händchen aus der Distanz – das kann noch mehr Platz für Verges Drives schaffen. Zudem ist Pleiß mit seiner Größe von 2,18 Metern immer eine Lobgefahr.
Der amtierende Pokalsieger Martin Breunig (269 BBL-Spiele) wechselte Anfang November aus Nancy nach Hamburg, nachdem sein geplantes Engagement in Taiwan geplatzt war. Da mit dem jungen Franzosen Zacharie Perrin der bislang beste Akteur der Hanseaten ebenfalls ein Center ist, wird meiner Meinung nach viel davon abhängen, ob Coach Benka Barloschky eine Konstellation finden kann, in der er beide Fünfer gemeinsam spielt. Nach fünf Pflichtspielen gibt es auf jeden Fall noch Luft nach oben für den 33-Jährigen, der bei den Towers bislang nicht an seine in Frankreich und vorher in Weißenfels gezeigten Leistungen anknüpfen konnte.
Big Men, die vor der Saison aus dem Ausland zurückkehrten
Dass Christian Sengfelder (37 Länderspiele) nach einer Saison in Dijon nach Deutschland zurückgekehrt ist, bereichert nicht nur die Ulmer Mannschaft, sondern die gesamte Liga. Der gebürtige Leverkusener trifft in der Bundesliga 63 Prozent aus dem Feld und ist der zweiteffektivste Spieler des Vizemeisters. Der 30-Jährige verfügt über einen verlässlichen Dreier, ist trotz überschaubarer Athletik ein guter Offensiv-Rebounder und strahlt Ruhe und Sicherheit aus.

Nach zwei Jahren in Paris schloss sich Leon Kratzer (31 Länderspiele) im Sommer dem FC Bayern München an. In der Euroleague spielt er nur eine untergeordnete Rolle, in der Bundesliga ist er in knapp 17 Minuten der beste Rebounder (6,0 pro Partie) des Deutschen Meisters. Aufgrund seiner offensiven Limitationen und der Starpower um ihn herum kommt der Europameister aber nicht als ein Aushängeschild der Liga infrage.
Guards, die vor der Saison aus dem Ausland zurückkehrten
Dafür brächte Jack Kayil (vier Länderspiele) eigentlich alle Voraussetzungen mit. Aber ich muss diesen Satz im Konjunktiv formulieren, weil bereits feststeht, dass die Rückkehr nach Berlin nur ein Intermezzo vor dem Wechsel ans College darstellt. Mit seiner Unbekümmertheit, seinem Flair, seiner Kreativität und seiner sportlichen Qualität verfügt der 19-Jährige, der die vergangene Saison in Serbien bestritt, über ein großartiges Paket.
In Bennet Hundt (elf Länderspiele) hat ein zweiter Urberliner wieder in der Hauptstadt angeheuert. Der 27-Jährige spielte 2024/25 in der zweiten spanischen Liga. In Kayil und Martin Hermannsson hat der 1,80 Meter große Linkshänder aber zwei bärenstarke Point Guards vor sich und in den Nationalspielern Malte Delow und Jonas Mattisseck zwei weitere Spieler als Konkurrenten, die zumindest phasenweise auf der Eins übernehmen können. Entsprechend überschaubar sind seine Spielanteile.
Dahingegen ist Joshua Obiesie (neun Länderspiele) in Braunschweig ein Schlüsselspieler. Blickt man auf die bisherige Karriere des 25-Jährigen, so kann man den Eindruck gewinnen, dass er zu früh zu viel wollte. Mit Talent ist der Linkshänder reichlich gesegnet. Mit seinem Scorer-Gen gefällt er mir als Shooting Guard oder Small Forward am besten, er kann aber auch hier und da auf die Eins rücken. Nach Stationen in der G-League, in Frankreich und in Griechenland ist die große Rolle bei den Löwen jetzt genau das Richtige.

Nach bis dahin eigentlich guten Leistungen wurde Zach Ensminger nach dem Trainerwechsel in Göttingen in der vergangenen Spielzeit von Mikko Riipinen überraschend aussortiert. Anfang März wechselte der mittlerweile 24-Jährige nach Finnland. In Bamberg überzeugt der spielintelligente Guard jetzt wieder mit seinen Kernkompetenzen als Dreipunktewerfer und Vorbereiter. Mit fast 20 Minuten Spielzeit ist er eindeutig der wichtigste deutsche Spieler bei den Oberfranken.
Spieler, die vor der Saison aus der ProA zurückkehrten
Nachdem ihm weder in Ludwigsburg noch in Heidelberg und Bamberg der Durchbruch gelungen war, entschloss sich Lukas Herzog zu einem Jahr in der ProA in Karlsruhe. Jetzt unternimmt der Three-and-D-Spieler in Würzburg einen erneuten Anlauf. Bislang stand der 24-jährige Shooting Guard in allen Bundesligabegegnungen auf dem Feld, aber dass seine Minuten deutlich nach oben gehen, ist angesichts der starken amerikanischen Konkurrenz auf seiner Position nicht zu erwarten.
Robin Christen (drei Länderspiele) schaffte mit dem Jenaer Aufstieg seine Rückkehr ins Oberhaus. Allerdings läuft es in dieser Spielzeit noch nicht rund für den Routinier, der 2023 mit Ulm die Deutsche Meisterschaft gewann. Der 34-Jährige plagt sich mit Knieproblemen, und sein eigentlich zuverlässiger Dreier fällt mit nur 21 Prozent bislang unterirdisch. Aber Christen ist nicht der Typ, der den Kopf in den Sand steckt. Auch wenn er sich im Herbst seiner Karriere befindet, kann er sich in dieser Saison noch steigern.

Aufsteiger und Karriereherbst – das trifft auch auf Maik Zirbes (75 Länderspiele) zu, dessen Karriere fast an die von Tibor Pleiß heranreicht. Okay, der Trierer war nicht in der NBA und hat auch keine Euroleague-Titel errungen. Aber Auslandsstationen wie Roter Stern Belgrad und Maccabi Tel Aviv lesen sich auch gut. Jetzt ist er mit seinem Heimatklub, für den er vor 16 Jahren in der ersten Liga debütierte, als Kapitän zurückgekehrt. Obwohl der 35-Jährige weniger als 17 Minuten im Schnitt spielt, rangiert er in den Top Ten bei den Rebounds und ist dort sogar der Beste, wenn man die gefischten Abpraller mit der Spielzeit in Relation setzt. Wir können nur erahnen, wie besonders diese Saison für Maik Zirbes sein muss!
Kochs Nachschlag
Fazit: Pleiß und Zirbes sind zu alt, um mittelfristig als Identifikationsfiguren zu dienen. Kayil wechselt im Sommer zu Gonzaga, und Breunig könnte nach dieser Spielzeit erneut den Versuch unternehmen, nach Asien zu wechseln. Also liegt das meiste Potenzial bei Sengfelder und Obiesie. In der nächsten Woche befasse ich mich mit deutschen Spielern, die nicht in die Liga zurückgekehrt sind, aber einen Status einnehmen (können), der sie hinter den NBA- und Euroleague-Stars in Stellung bringt. Insgesamt wird es um neun Akteure gehen, davon spielen sechs in der DBB-Auswahl (davon drei im selben Klub) – und drei besitzen neben der deutschen noch eine weitere Staatsbürgerschaft. Ihr könnt aufgrund dieser Hinweise schon mal raten, um wen es sich handeln könnte.

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei Dyn, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere, Sportdigital, DAZN und MagentaSport tätig, sowie als Scout für die NBA. Im Podcast "Talkin‘ Basketball", der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist, sprechen er und Oliver Dütschke regelmäßig mit Protagonisten aus der deutschen Basketballszene. Seine Kolumne zum BBL-Geschehen findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag".

















