Die besondere Brisanz liegt natürlich im Derby an sich, die Tigers Tübingen könnten ratiopharm ulm dabei auch eine besondere Zeremonie vermiesen. Denn der Meister wird am Samstag das Trikot von Per Günther mit der Nummer sechs unter die Hallendecke ziehen. Die Ulmer Legende – die sich den feierlichen Tag und damit auch den Ulmer Gegner selbst aussuchen durfte – hatte nach der Saison 2021/22 seine Karriere beendet, 14 Jahre lang für Ulm gespielt und war mit seiner sympathischen Art, nie ein Blatt vor den Mund zu nehmen, das Gesicht des Clubs sowie eines der Gesichter unserer Liga. Dem ehemaligen Point Guard wird als erster Ulmer Spieler überhaupt die Ehre zuteil, dass seine Nummer nicht mehr vergeben wird. „Das wird auf jeden Fall etwas Besonderes. Es wird für mich im Leben wohl nichts mehr geben, was so bezeichnend ist wie in der ratiopharm arena Basketball zu spielen, diesen einen Titel hinterherzujagen und eine Kultur aufzubauen“, blickt Per im BIG-Podcast auf die Ehrung.
Günther hat derweil schon die Erfahrung machen müssen, dass ein Schwaben-Rivale den Spielverderber gibt: Die Ludwigsburger hatten im Playoff-Viertelfinale 2022 per Sweep in Ulm die Karriere Günthers beendet. Von einem Erstligisten wurden zuletzt übrigens im Dezember 2022 Trikots unter die Hallendecke gezogen, als die NINERS Chemnitz Malte Ziegenhagen und Virgil Matthews ehrten.
Bewegte Bilder: Aus aktuellem Anlass wollen wir noch einmal auf die sehenswerte Doku von Tim Kraushaar verweisen, der die Ulmer Legende während seines letzten Tanzes begleitet hat. „PER – Mein letztes Jahr im Profisport“ ist hier zu sehen.

Status Quo: Angst haben muss man vor den Tigers derzeit aber nicht so sehr, zumindest vor ihrer wenig bissigen Verteidigung: Der Aufsteiger hat seine vergangenen fünf Spiele verloren und dabei durchschnittlich 107,4 Zähler kassiert. Dabei ist auch die Tendenz besorgniserregend: Von 96 über 104, 107 und 114 ging es zuletzt auf 116 Gegenpunkte. Bei der 95:116-Niederlage in Göttingen gestattete der Drittletzte eine Quote von 67,7 Prozent aus dem Feld.
Vor allem gegen Ulm sollte Tübingen gewarnt sein, denn in den vergangenen sechs Partien erzielte der Meister viermal mindestens 98 Zähler, mit 93,4 Punkten pro Spiel sind die Ulmer Spitzenreiter. Beim jüngsten 84:76-Auswärtserfolg gegen die Bamberg Baskets war aber eher die Verteidigung Trumpf: Im vierten Viertel ließen die Ulmer nur 13 Zähler zu und zogen durch einen 12:0-Lauf davon. Für die Gavel-Truppe war es der fünfte Sieg aus den vergangenen sechs Partien.
Duell im Fokus: Tübingens Jimmy Boeheim und Ulms L.J. Figueroa begannen die Saison jeweils auf der Position des Small Forwards, rutschten auch verletzungsbedingt eine Position nach oben, Figueroa früh in der Saison, Boeheim durch das Tübinger Verletzungspech in den vergangenen Wochen. Doch beiden scheint das nichts auszumachen, Boeheim war gegen Göttingen mit 23 Zählern Tübinger Topscorer und knackte zum dritten Mal in dieser Saison die Marke von 20 Zählern. Der Forward nutzt gut Mismatches aus, wenn er es doch mal mit kleineren Gegenspielern zu tun hat, und ist ein spielintelligenter Akteur – wie sollte es als Sohn der Trainerlegende Jim Boeheim auch anders sein. Über die gesamte Saison kommt der 25-Jährige bislang auf 15,1 Punkte, 4,1 Rebounds und 1,5 Assists im Schnitt und ist damit zweiteffektivster Tübinger. Auf der Gegenseite besticht Figueroa mit seiner Athletik im Fastbreak, hat sich mittlerweile aber auch zum besten Dreierschützen Ulms gemausert (49,1 3P%). Mit 14,1 Zählern, 3,5 Rebounds, 1,7 Assists und 1,7 Steals pro Partie ist der 25-Jährige ebenso der zweiteffektivste Spieler seines Teams.
Zahlen, bitte: Die Ulmer Offensivpower haben wir im Status Quo thematisiert, der Meister erzielt auch über die gesamte Saison die meisten Punkte der Liga, weil er aus dem Zweierbereich das treffsicherste Team ist (61,5 2P%). Und es schadet sicherlich auch nicht, dass die Ulmer den Ball gut laufen lassen – 23,1 Assists pro Spiel sind ebenfalls Ligabestwert. Die Tigers verteilen immerhin die fünftmeisten Assists aller Teams (19,4 APG). Wo beide Teams derweil Spitze sind? Bei den Steals: Ulm klaut die meisten (9,5 SPG), Tübingen die zweitmeisten Bälle pro Partie (8,2 SPG).
Die ewige Bilanz: Zum ersten Mal seit dem 17. März 2018 empfangen die Ulmer zum Schwaben-Derby die Tigers Tübingen. Damals gewannen die Hausherren mt 95:82, der siebte Heimsieg gegen Tübingen in Serie. Seit 1992/93 haben die Ulmer 25 der 29 Duelle gegen Tübingen gewonnen.
Das Hinspiel: Anfang Oktober entführten die Ulmer einen 99:84-Erfolg aus Tübingen. Die Tigers lagen zu Beginn des vierten Viertels nur mit einem Punkt zurück, mussten dann aber einen 0:9-Lauf hinnehmen und sich im vierten Viertel mit 14:28 geschlagen geben. Das Ulmer Quartett L.J. Figueroa (22 PTS, 7/9 FG, 5 REB), Karim Jallow (20 PTS, 7 REB), Trevion Williams (18 PTS, 5 REB, 6 AST, 3 STL) und Juan Nunez (16 PTS, 5 REB, 7 AST, 4 STL) war zu stark für den Aufsteiger.
Meilensteine: Ulms Thomas Klepeisz fehlen noch elf Assists, um in der digitalen Bestenliste seit der Saison 1998/99 mit seinem jetzigen Assistant Coach Tyron McCoy (945 Assists, 17. Platz) gleichzuziehen.
Am Rande der Bande: Die Ulmer müssen aktuell auf Robin Christen (Reha nach Knie-OP), Philipp Herkenhoff (Sprunggelenk) und Dakota Mathias (Fußprobleme) verzichten. Dafür stand Karim Jallow im EuroCup wieder auf dem Parkett, nachdem er das Ligaspiel gegen Bamberg verpasst hatte. Damit kann der Meister auf den zweitbesten deutschen Scorer der Liga zurückgreifen, der es auch in das beste Hinrundenteam unseres Kolumnisten Stefan Koch geschafft hat. Den Tübingern standen zuletzt Kao Akobundu-Ehiogu (Hand), Kriss Helmanis (Schulter), Aatu Kivimäki (Plantarfaszie) und Daniel Keppeler (Sprunggelenk) nicht zur Verfügung.
Alte Bekannte: Bei Tübingen haben einige Akteure eine Ulmer Vergangenheit: Headcoach Danny Jansson arbeitete von 2014 bis 2020 im Ulmer Nachwuchsprogramm und war für die ProB- und NBBL-Teams verantwortlich. Dort arbeitete Jansson auch mit seinen jetzigen Spielern Christoph Philipps und Timo Lanmüller zusammen. Philipps debütierte in der Saison 2017/18 für die Münsterstädter in der Bundesliga und war bis zur Saison 2021/22 für Ulm aktiv, Lanmüller stand im November 2020 erstmals auf dem Bundesligaparkett und wechselte noch in jenem Jahr zusammen von Ulm nach Tübingen. Auch Till Jönke hat eine Ulmer Vergangenheit und feierte im Oktober 2012 dort ebenfalls ein Bundesligadebüt, zwei Spielzeiten verbrachte der Guard in der Münsterstadt. Auf der Gegenseite war Ulms Assistant Coach Tyron McCoy von Dezember 2015 bis November 2017 Tübinger Headcoach, seine bislang letzte Station als Cheftrainer bei einem Club.
Es ist alles Gold, was glänzt: Per Günthers Trikot wird also nicht mehr vergeben werden. Die letzte deutsche Basketballlegende, der diese Ehre zuteil wurde, war Dirk Nowitzki: Zu Beginn der Heim-EM 2022 wurde sein DBB-Trikot mit der Nummer 14 unter die Hallendecke gezogen. So etwas kann durchaus anspornen: Die damalige Nationalmannschaft gewann nicht nur das Eröffnungsspiel gegen Frankreich, sondern holte sich letztlich die EM-Bronzemedaille. Der DBB-Kern setzte ein Jahr später sogar noch einen drauf und das erneut vor den Augen von Per als TV-Experte, der emotional in Erinnerung schwelgte. Warum? Das DBB-Team kürte sich zum Weltmeister.
Fernsehen / Livestream: Die Partie wird am Samstag ab 18.15 Uhr live bei Dyn übertragen, Michael Körner kommentiert das Spiel. Dyn ist das neue Zuhause der Basketballfans. Der Sender strahlt alle Begegnungen der easyCredit BBL, des BBL Pokals sowie Spiele der Basketball Champions League aus. Das umfangreiche Basketball Live-Programm wird von redaktionellen Formaten ergänzt, die auf der Dyn Plattform und im Anschluss über die Dyn Social-Media-Kanäle frei empfangbar sein werden. Dyn ist seit Anfang August über den Webbrowser, Mobilgeräte, Tablets, Streaming-Sticks und Smart-TVs verfügbar. Für Sportfans, von Sportfans. Dyn Basketball. Dein Sender. Dein Sport.