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Home/Newscenter/Gordon Herbert: Mit Psychologie und Taktik zum Titel

Kochs NachschlagGordon Herbert: Mit Psychologie und Taktik zum Titel

12. September 2023

Deutschland ist Basketballweltmeister! Die Souveränität und das Selbstbewusstsein der Mannschaft waren frappierend. Zwar wurde der Italiener Luca Banchi, der Lettland sensationell zum fünften Platz führte, als bester Trainer des Turniers ausgezeichnet, aber Gordon Herbert hätte diese Auszeichnung ebenso verdient gehabt. Der Kanadier übernahm die DBB-Auswahl im September 2021 und hat seitdem mit seiner besonnenen und klaren Art eine Kultur etabliert, die sich im Auftreten des Teams widerspiegelt. Die „Next-Man-Up-Mentalität“ der Nationalmannschaft ist tief in ihrem Coach verwurzelt, der sich nie über vermeintlich ungünstige Begleitumstände beschwert, sondern in seinem nüchternen Pragmatismus lösungsorientiert arbeitet.

Kontinuität als Erfolgsrezept

„If it ain't broke, don't fix it” – sinngemäß bedeutet dieser Satz, den Gordon Herbert einmal gesagt haben soll, dass man funktionierende Konstellationen nicht verändert. So setzt er auf Kontinuität und Vertrautes. Mit Klaus Perwas und Sebastian Gleim standen ihm zwei Assistenten zur Seite, die er aus gemeinsamen Frankfurter Tagen gut kennt. Neun Spieler des letztjährigen EM-Kaders waren auch in Asien dabei. Hätte sich Nick Weiler-Babb nicht verletzt, wären es wahrscheinlich zehn gewesen.

Der mediale Gordon Herbert

Der öffentliche Gordon Herbert ist ein Mensch, der nur wenig preisgeben möchte. Seine Stellungnahmen sind relativ kurz und oft auf Phrasen reduziert. Ist euch aufgefallen, wie häufig er Fragen zunächst mit „No“ beantwortet, auch wenn er in der Folge inhaltlich überhaupt nicht widerspricht? Fast könnte man meinen, Gordon Herbert sei der Geist, der stets verneint. Tatsächlich haben die medialen Auftritte des Bundestrainers durchaus skurrile Züge (noch trockener waren lediglich die Halbzeit-Interviews von Assistent Perwas bei Benni Zander). Aber diese (vielleicht nur vorgetäuschte) Verschrobenheit von Herbert hat in Kombination mit den großen sportlichen Erfolgen dafür gesorgt, dass der 64-Jährige aufgrund seiner Lakonie für so manchen Basketballfan zu einer Kultfigur geworden ist.

Der Psychologe

Wer den Bundestrainer vor der Kamera erlebt, kann sich kaum vorstellen, dass es zu seinen größten Stärken gehört, Beziehungen zu seinen Spielern aufzubauen und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Er ist verständnisvoll und akzeptiert die Menschen mit ihren persönlichen Eigenarten. Das zeigt sich exemplarisch im Umgang mit seinem Star Dennis Schröder. Als die Situation in der Auszeit des Slowenienspiels zu eskalieren drohte, zeigte Gordon Herbert, wie er sein Personal in Krisensituationen managt. Er konzentrierte sich darauf, das Team nach dem schlechten Start neu einzustellen und beließ Schröder länger als üblich auf der Bank. Diese Maßnahme wurde teilweise als Strafe fehlinterpretiert, diente aber in erster Linie dazu, dem Kapitän Zeit zur emotionalen Abkühlung zu verschaffen. Danach fand der 29-Jährige seinen Fokus wieder, und Deutschland zerlegte mit einem (wieder) glänzend aufgelegten Schröder den hocheingeschätzten Kontrahenten. Das beweist, wie mental gefestigt die Mannschaft unter dem promovierten Sportpsychologen Herbert ist.

Der Taktiker

Beim Halbfinalsieg gegen die USA zeigte die DBB-Auswahl die beste Leistung in der Geschichte der deutschen Nationalmannschaft – und die Ausrichtung, die Gordie seiner Mannschaft mitgab, trug erheblich dazu bei. Einerseits ließ er das Team in vollstem Vertrauen auf die eigenen Stärken spielen. Zu zerstören oder das Tempo zu drosseln – das waren überhaupt keine Gedanken. Dazu überraschte er die Amerikaner mit außergewöhnlichen Matchups und nahm in der Halbzeit wichtige defensive Anpassungen vor. Das gelang ihm auch im Finale gegen Serbien. Nach 15 Punkten in der ersten Hälfte erlaubte das deutsche Team Bogdan Bogdanovic nach der Pause nur zwei Zähler.

Kochs Nachschlag

Gordon Herbert hat schon vor dem Weltmeistertitel große Erfolge gefeiert. Dieser Triumph aber ist jetzt die Krönung seiner Karriere. Das ist für jeden nachvollziehbar, wenn man das Ergebnis betrachtet. Ich möchte aber eure Augen auch auf den Prozess lenken. Wie Gordie es geschafft hat, diese Gruppe zu einer verschworenen Einheit zusammenzuschweißen, ist beeindruckend. Dazu kommt, dass die Mannschaft sportlich sehr nahe an ihr Maximum herangekommen ist.

Als ehemaliger Coach kann ich nachvollziehen, welche emotionale und mentale Anstrengung ihn das gekostet hat. Das Bild des erschöpften Bundestrainers, der nach dem Finalsieg alle Viere von sich streckt, unterstreicht, wie hoch die Belastung war. Jetzt kann er erst einmal in die Wälder gehen, angeln und Holz hacken, um seine Akkus für Paris 2024 wieder aufzuladen.

Damit wir ihn bis dahin nicht zu sehr vermissen, sei am Ende noch auf die WM-Doku des DBB hingewiesen, die gerade auch zur Arbeitsweise von Gordon Herbert und seinem Umgang mit seinen Spielern tiefe Einblicke gewährt. Hier die erste Folge, in der Herbert seine Spieler beim ersten Teammeeting in Bonn auf die WM einstellt:

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.

Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei Dyn, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere, Sportdigital und MagentaSport tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag". Außerdem produziert er gemeinsam mit Oliver Dütschke im Zweiwochentakt den Podcast „Talkin‘ Basketball“, der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist.