Wer ist der erfolgreichste aktive Scorer der Liga? Ich denke, die meisten von euch hätten hier Rickey Paulding genannt und damit auch richtig gelegen. Aber welcher aktuell noch spielende Profi folgt als nächstes in der Liste der besten Scorer der Ligageschichte? Die Antwort ist nicht ganz so offensichtlich und lautet John Bryant. Am Samstag gegen die Telekom Baskets Bonn kann Big John in seiner elften Saison in der Bundesliga als 19. Spieler der Liga offiziell die 5.000 Punkte knacken (weiter unten gibt es die Übersicht mit allen Namen). Grund genug, auf seine illustre Karriere zurückzublicken, in deren Verlauf er nicht nur zwei Mal als wertvollster Spieler der Liga ausgezeichnet wurde. Neben den MVP-Awards von 2012 und 2013 als Ulmer Zentralgestirn und der Meisterschaft 2014 mit den Bayern wurde Bryant 2013 und 2019 zum besten Offensivspieler der Liga gewählt und war 2012 und 2013 MVP des All-Star Games. Außerdem ist er in der seit 1998 geführten digitalen Statistik-Datenbank mit 405 Blocks der Spieler, der die meisten Würfe geblockt hat.
Die Evolution in Ulm
Nachdem John Bryant nach seinem College-Abschluss ein Jahr in der D-League verbracht hatte, holte ihn Mike Taylor 2010 nach Ulm. In seiner ersten Saison postete der 2,11 Meter lange Amerikaner fast ausschließlich nach seinen Turnoutscreens für Außenspieler auf und warf nur einen einzigen Dreier. Aber mit seinem massigen Körper war er immer am Zonenrand anspielbar. In den beiden Jahren danach unter Thorsten Leibenath kam er dann auch selbst über Blocks, was mehr Optionen mit veränderten Winkeln beinhaltete. So gab es ein System, bei dem er wählen konnte, ob er zum Dreier oder in den Low Post ging. 2012/2013 traf er schon 49 Dreier bei einer Quote von mehr als 37 Prozent. „Ich habe sein lockeres Händchen aus der Halbdistanz gesehen und dann haben wir seine Range bis hinter die Dreipunktelinie entwickelt“, erinnert sich Leibenath, der aber als Bryants größte Stärke dessen Hände nennt: „Er stand beim Offensiv-Rebound immer richtig, zog die Bälle wie mit Saugnäpfen an und verarbeitete sie dann mit seinen großartigen Händen.“ Wie dominant und vielseitig Bryant damals spielte, zeigen seine Highlights aus seiner zweiten Ulmer MVP-Saison:
Das leidige Thema Gewicht …
… spielte auch schon zu Ulmer Zeiten eine Rolle, denn zu einem guten Essen und einem Bier kann der Kalifornier halt nur schwer nein sagen. Aber für Leibenath war Bryant trotzdem „einer der pflegeleichtesten Spieler“, mit denen er je zusammengearbeitet hat. So setzte der Center sich vor der Saison ohne Diskussionen auf das Fahrrad, um sein Gewicht zu reduzieren. Dennoch wurde das im weiteren Verlauf seiner Karriere ein immer größeres Thema so wie in diesem Porträt der Euroleague, in dem es schon ganz früh im Beitrag um seine Ernährungsgewohnheiten geht:
In seiner Münchner Zeit von 2013 bis 2016 gewann der mittlerweile 34-Jährige 2014 seine einzige Meisterschaft, bevor er dann nach Valencia wechselte, wo er nach nur zwei Spielen wegen Übergewichts (angeblich brachte Bryant zu diesem Zeitpunkt 138 Kilogramm auf die Waage) entlassen wurde. Damit war seine Zeit bei den großen Clubs vorbei und anstelle seiner unbestrittenen Stärken im Scoring, Rebounding und Passing wurde vor allem seine körperliche Verfassung und die damit verbundenen Probleme wie die Pick-and-Roll-Verteidigung oder der fehlende Speed im Transition-Spiel immer stärker thematisiert.
Das Comeback in Gießen
Deshalb meldeten sich viele Skeptiker zu Wort als Big John nach einem Intermezzo in Monaco 2017 ausgerechnet im Hochgeschwindigkeitssystem von Ingo Freyer in Gießen einen neuen Anlauf unternahm. Doch Bryant überzeugte alle seine Kritiker und legte 2017/2018 satte 18,2 Punkte und 10,7 Rebounds auf! In der folgenden Saison gelang ihm erneut ein Double Double im Schnitt und er erhielt zum zweiten Mal nach 2013 die Auszeichnung als bester Offensiv-Spieler der Liga (seine Stats in der Saison: 19,5 Punkte bei einer Wurfquote von 56,0 Prozent, dazu 10,2 Rebounds und 4,9 Assists).
Nach einer schwächeren Spielzeit 2019/2020 und einem Abstecher nach Paderborn kehrte er noch einmal zu den 46ers zurück. Im Januar dieses Jahres erfolgte die Trennung mit Nebengeräuschen, und seitdem spielt er für den MBC. Ein dominanter Spieler ist John Bryant sicherlich nicht mehr, aber allemal ein wertvoller Back-up für die Weißenfelser. Die deutsche Staatsangehörigkeit, die er seit Dezember 2018 besitzt, hat seine BBL-Karriere zweifellos verlängert.
Es gab nicht nur Licht in John Bryants Laufbahn, aber in seiner Prime war er einer der besten Center des Kontinents – und wie hier beim Allstar-Game 2013 mit seinem Buddy Per Günther trotzdem auch immer für einen Spaß zu haben:
Kochs Nachschlag
Wem von euch sagt der Name Brian Cusworth noch etwas? Ich dachte mir, dass ihr da fast alle passen müsst! Brian Cusworth war ein 2,13 Meter großer amerikanischer Center-Spieler, den ratiopharm ulm im Januar 2013 nachverpflichtete. Er kam zu einer Zeit, in der sich John Bryant in absoluter Top-Verfassung befand. Laut Per Günther (gibt es eine verlässlichere Quelle!?) hatte Big John gerade in einer Eurocup-Partie 25 Punkte in der ersten Halbzeit erzielt, bevor Cusworth sein erstes Training mit den Ulmern bestritt. Dort muss Bryant den Neuen nach allen Regeln der Kunst so zerlegt haben, dass dieser am nächsten Tag zu Manager Thomas Stoll ging, seinen Vertrag auflöste und seine Basketball-Karriere beendete. „Vielleicht wusste Cusworth nicht gegen wen er da spielte und dachte, dass mittlerweile jeder 130 Kilo schwere 2,10-Meter-Center Stepback-Dreier werfen kann“, resümiert „Speedy Günzalez“ mit einem Augenzwinkern.
Die besten Scorer der Ligageschichte
Noch wird an einer vollständigen ewigen Korbjägerliste der Bundesliga gearbeitet, aber über die besten Scorer in der Geschichte der Liga herrscht schon Klarheit, denn von Beginn der Saison 1975/76 an wurden von der damaligen Basketball-Zeitung – sie ruhe selig – die Punkte der Spieler festgehalten, um nach der Saison alljährlich auf der letzten Seite die besten 200 Korbjäger in der Geschichte der Liga abzudrucken. Natürlich fehlen dadurch den Bundesligaspielern der ersten Generation wie Holger Geschwindner (in dieser Liste mit 2.697 Punkten vermerkt) und Norbert Thimm (2.174) aktuell noch Punkte, trotzdem ist eines offensichtlich: Mike Jackel ist weder durch sie noch durch die besten Scorer unserer Zeit zu verdrängen:
Rang | Name | Punkte | 10 | Calvin Oldham | 5.568 |
1 | Mike Jackel | 10.789 | 11 | Stephan Baeck | 5.484 |
2 | Rickey Paulding | 7.873 | 12 | Chris Ensminger | 5.438 |
3 | Jarvis Walker | 6.582 | 13 | Frank Hudson | 5.388 |
4 | Mike Koch | 6.404 | 14 | Immanuel McElroy | 5.257 |
5 | Carl Brown | 6.317 | 15 | Aleksandar Nadjfeji | 5.256 |
6 | Julius Jenkins | 6.176 | 16 | Klaus Zander | 5.252 |
7 | Derrick Allen | 6.173 | 17 | Kai Nürnberger | 5.247 |
8 | Henning Harnisch | 6.152 | 18 | Gunther Behnke | 5.002 |
9 | Derrick Taylor | 5.906 | 19 | John Bryant | 4.997 |
Zur Person

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag". Außerdem produziert er gemeinsam mit Oliver Dütschke im Zweiwochentakt den Podcast „Talkin‘ Basketball“, der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist.