Zum zweiten Mal heißt es „Fragenhagel der Fans“. Vielen Dank für eure Einsendungen; wie üblich kann ich nur einen kleinen Teil eurer Vorschläge aufgreifen. Ich bemühe mich, aus jedem der angefragten Bereiche zumindest eine Frage zu beantworten. So geht es im heutigen Nachschlag um Lieblings-Spieler, Trainer-Laufbahnen und die letzten Sekunden einer Partie.
Welchen ausländischen und welchen einheimischen Spieler siehst Du aktuell am liebsten?
Bezüglich des deutschen Spielers lautet meine Antwort Karim Jallow. Da er im Topscorer-Nachschlag kurz vor Weihnachten schon gewürdigt wurde, fasse ich mich bei ihm bewusst kürzer. Der 23-Jährige kann beide Forward-Positionen bekleiden und mit seiner Athletik offensiv und defensiv für Highlights sorgen. Mir gefällt aber noch mehr, dass er sich seiner Verantwortung für diese junge Braunschweiger Mannschaft bewusst ist und jederzeit mit gutem Vorbild vorangeht.
Vorbild, Verantwortung, Führung – diese Begriffe kommen mir auch in den Sinn, wenn ich an meinen internationalen Akteur denke. Da Peyton Siva, Marcus Eriksson, Niels Giffey und Luke Sikma verletzungsbedingt Zuschauerrollen einnahmen bzw. einnehmen, trägt Jayson Granger in der aktuellen Saisonphase die Mannschaft von ALBA BERLIN. Und dies gilt im doppelten Sinne, sprich spielerisch und mental. Der 31-Jährige punktet selbst, wenn es gefordert ist und glänzt mit 6,3 Assists als zweitbester Vorbereiter der Liga. Dazu kommen seine Erfahrung und Ruhe, die dafür sorgen, dass ihm kaum Fehler unterlaufen. Mit seiner Körpersprache und Mimik drückt er Freude und Vertrauen aus, was den jungen Spielern guttut. Zudem scheinen ihm die Dauer- und Doppelbelastung körperlich nichts anhaben zu können. Sportdirektor Himar Ojeda hat in diesem Fall einmal mehr sein herausragendes Händchen bei Spielerverpflichtungen bewiesen (und wie das Video oben zeigt, fühlt sich Granger samt Familie wohl auch wohl in Berlin).
Wie wird man Cheftrainer in der Bundesliga?
Simpel ausgedrückt: Indem ein Team ein entsprechendes Angebot unterbreitet und man es annimmt. Aktuell gibt es mit Sebastian Gleim (FRAPORT SKYLINERS), Denis Wucherer (s.Oliver Würzburg), Rolf Scholz (JobStairs GIESSEN 46ers) und Thomas Päch (RASTA Vechta) lediglich vier in Deutschland aufgewachsene Coaches in der easyCredit BBL. Das ist im Vergleich zu anderen Ländern erschreckend wenig. Einerseits ist der Beruf des Basketball-Trainers in Deutschland mit keinem besonderen sozialen Prestige verknüpft, andererseits ist eine Karriereplanung für junge Trainer hierzulande grundsätzlich kaum möglich. Wenn in Südeuropa ein Jugendtrainer gute Arbeit leistet, ist es der logische Schritt, dass er als Assistent zu den Profis wechselt. Wenn er sich dort ebenfalls bewährt, hat er eine realistische Chance, auf den Chefsessel zu wechseln, wenn der Head Coach geht. So war z.B. Ettore Messina italienischer Jugendmeister und Jugendtrainer des Jahres. Diese Mechanismen greifen hierzulande nur äußerst selten. Es ist oftmals nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien die Clubs entscheiden. Martin Schiller ist aktuell ein treffendes Beispiel: Der 38-jährige Österreicher wuchs ab seinem sechsten Lebensjahr in Hamburg auf, spielte dort bei der TSG Bergedorf und war nach einem Studium an der Deutschen Sporthochschule in Köln sieben Jahre Co-Trainer bei den BBL-Clubs in Quakenbrück und Ludwigsburg (bei den Artland Dragons drei Jahre als mein Assistent). Obwohl er anschließend im unglaublich schwierigen Umfeld der G-League überragende Arbeit ablieferte, hatte im Sommer kein deutscher Verein Interesse. Das war für mich schlicht und einfach unfassbar. Jetzt rockt er mit Zalgiris Kaunas die Euroleague (Video oben).
Wieso ist es üblich, dass die letzten Sekunden einer Partie heruntergedribbelt werden?
Diese Frage kann sich natürlich nur auf Spiele beziehen, die bereits entschieden sind. Wenn die Zeit auf der 24-Sekunden-Wurfuhr am Ende einer Begegnung größer ist als die Restspielzeit und der Sieger bereits feststeht, ist es zum Usus geworden, keinen Wurf mehr zu nehmen. Symbolisch ist das ein Vorziehen des Handshakes, der eigentlich nach Spielende stattfinden soll. Entsprechend wird nicht nur der Ball ausgedribbelt, sondern es finden auch schon Umarmungen und andere Freundschafts- und Respektsbekundungen auf dem Parkett statt. Es gibt aber auch Protagonisten, die dies ablehnen. So ist es für Coach Aíto ein Trend aus Nordamerika, dem er sich nicht anschließen möchte. Für ihn dauert ein Basketballspiel 40 Minuten.
Grundsätzlich macht die ballbesitzende Mannschaft das Friedensangebot, indem sie mit dem Spielgerät die Mittellinie überquert und signalisiert, dass sie keinen Wurf mehr nehmen wird. Das ist das Zeichen für die Verteidigung, die dann im Regelfall ebenfalls ihre Aktivitäten einstellt.
Was ich aktuell überhaupt nicht nachvollziehen kann, ist die Umsetzung dieser Praxis schon in der Vorrunde. Bei meinen Teams kam das erst in der Rückrunde zum Tragen, wenn Klarheit bezüglich des direkten Vergleiches herrschte. Wenn ich derzeit sehe, dass dieses Ritual auch in Duellen zwischen Teams zur Anwendung kommt, die am Saisonende in der gleichen Tabellenregion landen können, ist das aus meiner Sicht grob fahrlässig!
Kochs Nachschlag
Abschließend möchte ich euch noch von zwei negativen Erfahrungen berichten, die ich in diesem Zusammenhang machen musste. Im ersten Fall geht es um ein Vorrundenspiel, das meine Mannschaft bereits gewonnen hatte. Der ballbesitzende Spieler des Kontrahenten macht das Friedensangebot, schüttelt mit seinem Gegenspieler die rechte Hand, dribbelt mit links weiter, löst den Handshake und nimmt kurz vor der Sirene noch einen Dreier – unterste Schublade!
Zweite Situation: In einer gewonnenen Rückrundenpartie zeige ich meinen Spielern und dem anderen Team klar an, dass wir nicht mehr werfen wollen. Mein Point Guard dribbelt an der Mittelline und wird plötzlich mit voller Aggressivität von seinem jungen Gegenspieler attackiert. Er geht an dem Verteidiger vorbei und initiiert per Alley-Oop-Pass einen abschließenden Korb, worüber sich Coach und Spieler des Kontrahenten völlig zu Unrecht aufregen. Wer sich entscheidet zu verteidigen, kann nicht erwarten, dass die Angreifer aufhören zu spielen!
Zur Person:
Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ erscheint regelmäßig auf der Homepage der easyCredit BBL.