– Stefan Koch
In der Euroleague und in der Champions League läuft bereits die Rückrunde, im Eurocup wurde der zweite Spieltag der Top16 absolviert und im FIBA Europe Cup läuft auch die zweite Gruppenphase. Da ist es an der Zeit, mal zu schauen, wie sich die acht Bundesligisten bisher geschlagen haben.
Wir schreiben das Jahr 2020. Richtig, da war doch was! Bereits 2011 wurde das kürzlich begonnene Jahr vom damaligen Geschäftsführer Jan Pommer für die Basketball-Bundesliga mit einer hohen Messlatte versehen, indem er das Ziel formulierte, 2020 die stärkste Liga in Europa sein zu wollen. Ein solcher Anspruch muss im Profisport natürlich in erster Linie sportlich untermauert werden und die Plätze 16 und 18 für Berlin und München in der Euroleague sind in diesem Zusammenhang ein nur mangelhafter Qualitätsnachweis. Zweifelsohne wissen viele Spieler die Bundesliga zu schätzen: Die Sorgfalt, mit der sich um die Belange der Akteure gekümmert wird, und die Pünktlichkeit der Zahlungen haben sich in Europa herumgesprochen. Aber sportlich bleibt der Abstand zum Branchenführer Spanien weiterhin groß. Die ACB stellt vier Teams in der Euroleague, die alle vor den deutschen Teilnehmern platziert sind, und verfügt mit Real Madrid und dem FC Barcelona über zwei Titelanwärter.
Die Euroleague
Vor der Saison prognostizierten alle Experten, dass die Euroleague in der Saison 2019/20 stärker als je zuvor sein würde. Eine Aussage, die die deutschen Teilnehmer aus München und Berlin guten Gewissens unterschreiben können: Die mit Vorschusslorbeeren bedachten Münchner rangieren nach 19 absolvierten Spielen mit sechs Erfolgen, 13 Niederlagen und dem schlechtesten Korbverhältnis auf dem letzten Platz, die Berliner stehen punktgleich zwei Plätze besser. Am heutigen Freitag geht es für beide weiter. Die Albatrosse spielen bei Roter Stern Belgrad und die Bayern bei Olympiakos Piräus (bei MagentaSport hier ab 18.45 Uhr und hier ab 19.15 Uhr).
ALBA BERLIN verbuchte drei unglückliche Niederlagen nach Verlängerung. Zweimal unterlag man in Istanbul bei den Schwergewichten Anadolu Efes und Fenerbahce in der Extraspielzeit, dazu verloren die Hauptstädter zu Hause ausgerechnet gegen die Bayern nach Verlängerung. Berlin ist eine Mannschaft, die sich durch eine hohe Spielfreude auszeichnet. An guten Tagen, wenn der Rhythmus stimmt, können die Schützlinge von Aito Garcia Reneses mit der absoluten europäischen Spitze mithalten – gute Beispiele dafür sind die beiden Siege in Griechenland gegen Panathinaikos (106:105 nach 2OT) und Olympiakos (93:86) und. Es fehlt aber an Substanz, um dies dauerhaft schaffen zu können. Mit dem zweitkleinsten Etat mangelt es an finanziellen Ressourcen, um die Ausfälle von Leistungsträgern wie Spielmacher Peyton Siva absichern zu können. So gesehen ist die Platzierung der Berliner – auch wenn mehr möglich gewesen wäre – keine negative Überraschung.
Anders sieht es beim FC Bayern München aus, der ebenfalls mit Verletzungsproblemen zu kämpfen hatten, aber geschätzt mit einem doppelt so hohen Budget (23 Millionen Euro) wie der nationale Konkurrent an den Start ging. Sechs Mal unterlag der Meister mit mehr als 20 Punkten Differenz. Der einzige Auswärtssieg war das extrem glückliche 77:76 in Berlin. Das ist zu wenig für ein Team, das an die Playoff-Tür klopfen wollte und sollte. Letztendlich kosteten die schwachen Euroleague-Auftritte Head Coach Dejan Radonjic seinen Job. Obwohl es nur drei Siege Rückstand sind auf den achten Platz und noch 15 Spiele zu absolvieren: Ein Platz unter den ersten Acht scheint angesichts der aktuellen Tendenz mit nur drei Siegen in den letzten 14 Partien fast schon utopisch - auch wenn der erste Auftritt von T.J. Bray am Mittwoch in Athen Hoffnung machen darf.
Eurocup und FIBA-Wettbewerbe
Im Eurocup, dem zweitstärksten europäischen Wettbewerb, schied ratiopharm ulm schon in der Vorrunde mit nur einem Sieg aus, lieferte aber mit dem 91:92 beim Titelfavoriten in Bologna eine Vorstellung ab, die hohen Ansprüchen genügte. Ansonsten zeigte die Mannschaft von Jaka Lakovic wechselhafte Leistungen.
Die EWE Baskets Oldenburg leisteten sich einen Fehlstart mit drei Niederlagen, kamen aber danach richtig in Schwung und gewannen seitdem sieben der folgenden neun Partien. Ich traue es Rickey Paulding & Co. durchaus zu, ins Viertelfinale einzuziehen. An der Hunte hätte man gerne mehr Anerkennung für die international erbrachten Leistungen. Nach dem Sieg zum Zwischenrundenauftakt gegen Venedig erklärten mir Head Coach Mladen Drijencic und Sportdirektor Srdjan Klaric unisono: „Wir haben den italienischen Meister geschlagen, aber keiner nimmt Notiz davon“. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Es ist hierzulande ein Dilemma, dass mit Ausnahme der Euroleague die europäischen Wettbewerbe in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle spielen.
Die Basketball Champions League ist der höchste von der FIBA ausgerichtete Wettbewerb. In den vergangenen beiden Jahren erreichten mit Ludwigsburg und Bamberg zwei deutsche Teams das Final Four - Erfolge, deren Wiederholung ich in dieser Spielzeit für eher unwahrscheinlich erachte. Die Telekom Baskets Bonn haben als Tabellenzweiter der Gruppe D gute Chancen auf das Erreichen des Achtelfinales. Angesichts des Überlebenskampfes in der nationalen Liga und der Verletztensituation (aktuell fehlen mit T.J. DiLeo, Yorman Polas Bartolo und Martin Breunig drei Starter) muss man aber abwarten, wie die Rheinländer auch nach dem 91:77-Sieg gegen Szombathely diese Woche die Champions League in den nächsten Wochen gewichten werden. RASTA Vechta steht derzeit knapp über dem Strich, Brose Bamberg knapp darunter. Sollte Freak City das Achtelfinale verpassen, wäre dies zweifelsfrei eine Enttäuschung.
Mit medi bayreuth spielt außerdem eine deutsche Mannschaft im FIBA Europe Cup, dem zweiten FIBA-Wettbewerb, und befindet sich dort als Zweiter der Gruppe I auf Playoff-Kurs. Aber bei allem Respekt: Diese Competition ist zu unbedeutend, als dass man sie in die Bewertung einfließen lassen kann.
Kochs Nachschlag
Vermutlich wussten die Liga-Verantwortlichen 2011, dass ihr Ziel für 2020 nur schwer erreichbar sein würde. Aber es gab einen wichtigen Impuls zur Weiterentwicklung von Infrastruktur und Jugendarbeit. Ein über Jahrzehnte gewachsener Entwicklungsvorsprung lässt sich einfach nicht in einer Dekade aufholen. Mindestkapazitäten für Hallen und ein alle Partien abdeckender Fernsehvertrag sind hilfreich, aber große internationale Erfolge bleiben bisher leider Mangelware. Das Berliner Eurocup-Finale in der vergangenen Saison war toll, aber als nächster Schritt müsste nun zumindest einmal eine Playoff-Teilnahme in der Euroleague her. In dieser Spielzeit aber wird das wohl leider noch nicht klappen.
Zur Person
Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ erscheint regelmäßig auf der Homepage der easyCredit BBL.