– Stefan Koch
Dieser Club gewann die letzte Meisterschaft, bevor Bamberg und München sich anschickten, der deutschen Eliteliga ihren Stempel aufzudrücken. Zu diesem Titel von 2009 kam 2015 noch ein Pokalsieg hinzu. Und obwohl auch die Konstanz mit neun Playoff-Teilnahmen in den vergangenen zehn Jahren stimmt, fliegen die EWE Baskets Oldenburg fast in jeder Saison unter dem Radar der allgemeinen öffentlichen Wahrnehmung.
Im Nordwesten der Republik nehmen sie eine geographische Randlage ein, sind an einem eher beschaulichen Ort zu Hause, dessen Medienlandschaft nicht einmal annährend an die Dimensionen von München oder Berlin heranragt. Zudem tragen die Oldenburger auch kein großes „B“ im Namen, was ihnen eine Nennung im gleichen Atemzug mit Bayern, Berlin und Bamberg sichern könnte. Letztendlich würde dies aber inhaltlich auch nicht passen, denn an der Hunte versteht man sich als bodenständig und kann mit schillerndem Glamour nur wenig anfangen.
Das Aushängeschild des Vereins steht sinnbildlich für diese Denkweise. Rickey Paulding ist ein Basketball-Star, der in dieser Rolle für seine herausragenden Leistungen bewundert wird. Aber geliebt und verehrt wird der 36-Jährige wegen seiner Bescheidenheit, seines Standpunktes, dass die Familie über allem steht und seiner Verbundenheit zur Stadt und zur Region. Paulding war bei der Meisterschaft 2009 der Finals-MVP und spielt bereits seit 2007 bei den Oldenburgern, wo er seine Karriere auch beenden wird.
Die Gallionsfigur, der MVP und der Point Center
In dieser Spielzeit weiß die Oldenburger Gallionsfigur zwei ganz besondere Basketballer an ihrer Seite. Will Cummings ist ein pfeilschneller Einser, der die meisten Punkte in der Liga erzielt. Damit ist klar, dass der Begriff Scoring Point Guard ihn treffend umschreibt. Auch wenn der Amerikaner bei seiner Penetration manchmal eine „Kopf-durch-die-Wand-Attitüde“ an den Tag legt, ist er ein würdiger MVP.
Allerdings war das Rennen in dieser Saison extrem offen. T.J. Bray, John Bryant, Luke Sikma oder Derrick Williams waren Kandidaten, die auch immer in die Diskussion geworfen wurden. Zwei Namen fielen mir nicht häufig genug: Zum einen Danilo Barthel, der als bester und konstantester Spieler der besten Mannschaft mehr Aufmerksamkeit verdient hätte, zum anderen Rasid Mahalbasic.
Der österreichische Center der Oldenburger hat in dieser Spielzeit Gewicht verloren, eine Metamorphose durchlebt und ein neues Rollenverständnis entwickelt – was sich vor allem zeigt in seinem Rekord von bisher vier Triple Doubles, von denen es in den vergangenen 20 Jahren insgesamt nur neun gab. Für mich ist der 28-Jährige der beste Big Man der Liga, ein Point Center, der sich als Scoring Option im Vergleich zur Vorsaison zurückgenommen hat, aber dafür seine Mitspieler mit gutem Auge und glänzenden Pässen konstant in Szene setzt. Sein 1-1 im Low Post ist dennoch weiterhin elitär gut.
Dieses Trio ist hauptverantwortlich für einen exzellenten offensiven Rhythmus, der aber auch stark von den Stretch-Qualitäten der Power Forwards Philipp Schwethelm und Nathan Boothe mitgetragen wird.
Fragezeichen Tiefe
Mladen Drijencic ist ein Coach, der grundsätzlich eher zu kürzeren Rotationen tendiert. In dieser Saison ist Oldenburg acht Spieler tief. Zu den sechs Ausländern gesellen sich noch Karsten Tadda und Schwethelm. Dies war während der Hauptrunde kein Problem, da die Niedersachsen das erste Mal seit Jahren nicht international spielten und somit keiner Doppelbelastung ausgesetzt waren. In dieser Konstellation kam den EWE Baskets zugute, dass Boothe beide großen Positionen spielen kann. Unerwartete Produktion wie die sieben Punkte in acht Minuten von Marcel Keßen am Dienstag in Bonn tut aber immer gut, zumal an diesem Tag eine wichtige Scoring-Option brach lag. Frantz Massenat, der Ende März in Göttingen mit 40 Zählern den Saisonrekord markiert hatte und immer wieder mal in den Mikrowellenmodus umschalten kann, legte eine Nullnummer hin.
Wie weit geht es in den Playoffs?
Oldenburg erzielt die meisten Punkte in der Liga. Die Offensive läuft wie eine gut geölte Maschine, wofür sicherlich auch die hohe personelle Kontinuität ein Faktor ist. Das Korbverhältnis von +375 in der Hauptrunde lag in den Sphären von Berlin und München. Die Drijencic-Schützlinge haben in der ganzen Saison nur ein einziges Heimspiel verloren. Viele Dinge sprechen für Paulding & Co. Ich gehe davon aus, dass die Mannschaft die Serie gegen Bonn mit ihrem zweiten Heimspiel am Samstag beenden wird. Im Halbfinale dürfte es dann aber ausgerechnet gegen ALBA BERLIN gehen, jene Mannschaft, die Oldenburg die einzige Heimniederlage zufügen konnte. Noch relevanter ist, dass die Berliner deutlich tiefer besetzt sind. Dass dieser Faktor auch überschätzt werden kann, demonstriert derzeit Vechta gegen Bamberg. Dennoch glaube ich, dass die großartige Oldenburger Saison im Halbfinale gegen den Eurocup-Finalisten aus der Hauptstadt ihr Ende finden wird.
Zur Person
Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ erscheint regelmäßig auf der Homepage der easyCredit BBL.
Kochs Nachschlag
Der Vertrag mit Mladen Drijencic wurde bereits um zwei Jahre verlängert. Der empathische und enthusiastische Coach erfreut sich in Oldenburg großer Beliebtheit und weist, was natürlich noch wichtiger ist, auch Erfolge vor. Seine Zusammenarbeit mit Sportdirektor Srdjan Klaric funktioniert sehr harmonisch. Entsprechend sind im Umfeld der Mannschaft die Weichen bereits gestellt. Oldenburg wird ein Playoff-Abonnementsteilnehmer mit Halbfinalpotenzial bleiben und in der nächsten Saison auch wieder europäisch auflaufen.