– Stefan Koch
Welche Faktoren können den Ausgang der Finals entscheidend beeinflussen? Da das Tempo als extrem wichtig eingestuft wird, möchte ich mich mit den unterschiedlichen Philosophien in der Transition-Defense befassen, aber auch einen Blick auf die interessantesten Duelle werfen.
Bayern gegen Berlin: Am Sonntag beginnt ein Drama in drei bis fünf Akten, das sowohl die Fans als auch die Medien als das Traumfinale feiern. Berlin ist wie im Vorjahr der Underdog, will aber den Titelverteidiger endlich einmal im Kampf um eine Trophäe ausstechen. Dafür müssen die Albatrosse mindestens ein Auswärtsspiel gewinnen. Allerdings sind die Münchner auf heimischem Parkett in dieser Saison in der Liga ungeschlagen. Lediglich im Pokal leistete man sich einen Patzer – ausgerechnet gegen den Rivalen aus der Hauptstadt (Video rechts).
Reboundverhalten und Fastbreakchancen
Ganz vereinfacht geschrieben möchte Münchens Headcoach Dejan Radonjic in dieser Serie ein eher physisches und halbfeldorientiertes Spiel etablieren, während Alejandro Garcia Reneses den Fuß seines Berliner Teams gerne konstant auf dem Gaspedal hätte. Grundsätzlich gilt: Es ist einfacher, das Tempo zu verlangsamen als es zu erhöhen. Schaut man sich das Verhalten beider Mannschaften beim offensiven Rebound an, so wird deutlich, dass die unterschiedlichen Herangehensweisen ein großer Faktor sein werden.
München ist grundsätzlich sehr konservativ in diesem Bereich. Oberste Priorität hat die Absicherung. Entsprechend gehen die Außenspieler des Meisters nur sehr sporadisch (Fehl-)Würfen nach. Aufgrund der besten Feldwurfquote der Liga ist der Bedarf auch ohnehin überschaubar. Berlin geht, wie man es von Aítos Mannschaften kennt, mit fast voller Kapelle und viel Vehemenz zum offensiven Rebound. Wie sich das anfühlt, haben die Oldenburger im Halbfinale erleben dürfen. Dieser Ansatz birgt natürlich das Risiko, dass der Kontrahent nach erfolgreichem Defensivrebound gute Aussichten hat, im Umschaltspiel eine Überzahl zu generieren. Der Gedanke ist hier ein grundsätzlich anderer: Die Absicherung gegen den Fast Break ist der Offensivrebound. Auch wenn die Bayern ein langsameres Tempo präferieren, sind sie sehr gut darin, selektiv ihr Transitionspiel anzukurbeln. Dem Rebounding, insbesondere dem defensiven der Münchner und dem offensiven der Berliner wird daher große Bedeutung zukommen.
Die Spielmacher Stefan Jovic und Peyton Siva
Peyton Siva (Video rechts) hat etwas gut zu machen. In der letztjährigen Finalserie gegen die Bayern war er phasenweise zwischen fahrig und fahrlässig unterwegs. Der 28-Jährige steht prototypisch für den nordamerikanischen Point Guard. Deutlich kleiner als Stefan Jovic (1,83 zu 1,98 Meter) verfügt er über mehr Athletik sowie einen stärkeren Drang, auch selbst den Abschluss zu suchen. Jovic hingegen verfügt über Gardemaß und repräsentiert die europäische Interpretation der Position als abgeklärter Organisator. Beide sind absolute Spitzenkräfte, deren größter Schwachpunkt ihre ausgeprägte Verletzungsanfälligkeit ist. Wäre Siva in dieser Saison gesund geblieben, hätte er als MVP-Kandidat gehandelt werden müssen. Kann er jetzt in den entscheidenden Saisonspielen der dominierende Guard sein?
Die Power Forwards Danilo Barthel und Luke Sikma
Natürlich ist Derrick Williams der größte Name der Liga. Natürlich ist zu erwarten, dass er in einer Finalserie richtig einen raushaut. Natürlich kann er gegen Tim Schneider und Niels Giffey das Zünglein an der Waage spielen, wenn sich die Starter neutralisieren. Aber dennoch möchte ich mein und euer Augenmerk auf Danilo Barthel (Video rechts) und Luke Sikma lenken. Auch in diesem Duell hatte der Berliner in den letztjährigen Finals das Nachsehen. Barthel wurde zurecht zum Finals-MVP, nachdem Sikma diesen Titel in der Hauptrunde gewonnen hatte. Dieses Mal muss der Amerikaner, der in dieser Woche einen neuen Vierjahresvertrag unterschrieben hat, produzieren. Er darf nicht – wie im Eurocupfinale gegen Will Thomas – verunsichert auftreten und erneut ein Schlüsselduell verlieren.
Kochs Nachschlag
Eine Berliner Meisterschaft wäre eine Überraschung, aber keine Sensation. Um dies zu schaffen, ist neben der Etablierung eines eher transitionlastigen Spiels und der Behauptung in den Schlüsselvergleichen auch ein entsprechendes Auftreten im Halbfeldspiel nötig. Offensiv muss man der Münchener Physis und Aggressivität im 1-1 begegnen. Aufgrund dessen wird es für Berlin deutlich schwerer als gegen Oldenburg, den offensiven Rhythmus zu wahren - zumal schon die Länge der startenden Guards bei den Bayern Passoptionen und Passwinkel verändern wird. Defensiv könnten sich die Berliner den Leitspruch Muhammad Alis zum Vorbild nehmen: „Float like a butterfly, sting like a bee.“
Zur Person
Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei MagentaSport, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere und Sportdigital tätig, sowie als Scout für die NBA. Seine Kolumne „Kochs Nachschlag“ erscheint regelmäßig auf der Homepage der easyCredit BBL.