– Frank Weiss
Joshiko Saibou spielt seit dem Sommer wieder für ALBA BERLIN. Für den Guard war es ein langer Weg zurück zu seinem Heimatverein. Im Interview spricht er über diese sechs Jahre und sagt, was ihm dabei besonders wichtig war.
Joshiko, du bist im Sommer zu deinem Heimatverein, ALBA BERLIN, zurückgekehrt und hast gerade deine ersten Länderspiele gemacht. Es läuft für dich.
Ja, es läuft sehr gut. Das kann man sagen. Die ganze Situation ist sehr gut für mich. Der Wechsel zu ALBA war für mich spielerisch der nächste Schritt. Hinzu kommt, dass das System von Aito mir sehr liegt und ich in den vergangenen Monaten schon superviel lernen konnte. Es ist schön, dass meine Leistungen jetzt belohnt wurden, dass ich zur Nationalmannschaft eingeladen wurde. Es war ein großer Schritt für mich, zu sehen, wie das dort abläuft und wie die Strukturen sind. Ich bin froh, dass ich mich dort so schnell einfinden konnte.
Hast du damit gerechnet, dass dir der Sprung zu ALBA relativ mühelos gelingt?
Erst mal habe ich schon immer gedacht, dass es früher oder später passiert und ich zurückkehre. Ich habe kontinuierlich an mir gearbeitet und werde auch jedes Jahr besser. Umso schöner, wenn sich die harte Arbeit auszahlt.
Du kamst aus Gießen und hast dich bei einem Top-Team wie ALBA auch spielerisch schnell eingefunden.
Es spielt mir in die Karten, dass wir vergangenes Jahr in Gießen auch sehr frei gespielt haben. Wir mussten ebenfalls viel das Spiel lesen, kreativ sein. Das entspricht auch eher meinem Spielstil. Daher war es für mich kein so schwerer Übergang. Natürlich erwartet Coach Aito viel. Es ist noch immer ein Lernprozess. Doch ich bin da mittendrin, wie viele andere Spieler von uns auch. Es macht mir auch megaviel Spaß dazuzulernen. Ich bin genau da, wo ich sein möchte.
Um jetzt hier zu sein, musstest du ALBA vor sechs Jahren allerdings zunächst verlassen. Du warst mit dem Klub NBBL-Meister, mit Spielern wie Niels Giffey, Andreas Seiferth, Konstantin Klein und Malte Ziegenhagen. Wie war die Situation bei ALBA damals?
Die war ziemlich klar. Wir alle waren talentierte Spieler. Doch damals gab es das NBBL-Team, die Regionalliga und das EuroCup- oder EuroLeague-Team. Der Niveauunterschied war für uns einfach zu groß. Ich glaube nicht, dass einer von uns da einfach hätte mitspielen und große Akzente setzen können. Daher war es für uns alle wichtig, einen Weg zu gehen, auf dem wir uns weiterentwickeln können.
Ich bin genau da, wo ich sein möchte.
Joshika Saibou
Das klingt jetzt sehr analytisch und nüchtern. Hast du das damals auch schon so empfunden, dass du für das BBL-Team von ALBA noch nicht bereit warst?
Ich war damals 18 oder 19 und nicht auf dem Level, auf dem ich heute bin. Das kann ich heute mit etwas Abstand sagen. Im Nachhinein ist das aber schwer zu beurteilen. Heute lässt Aito auch ziemlich junge Spieler spielen und das funktioniert sehr häufig. Aber für mich war jeder Schritt in meiner Karriere wichtig, um heute hier anzukommen.
Dir war klar, dass du aus Berlin weggehen musst?
Ja, das war mir klar.
Ist dir diese Entscheidung schwergefallen?
Es ging. Ich war ja schon ein Jahr von zu Hause weg, als ich an der Highschool in Amerika war. Ich habe zu diesem Zeitpunkt aber auch schon allein gewohnt, in einer ALBA-Wohnung in Prenzlauer Berg. Ich komme eigentlich aus Schöneberg. Daher war es für mich keine so große Umstellung, allein zu leben. Ich bin dann nach Trier, also sechs, sieben Stunden von Berlin entfernt. Es war dennoch eine Umgewöhnung. Ich war jetzt weg von zu Hause und alles drehte sich nur noch um Basketball. Der Sport war der Mittelpunkt des Lebens. Aber da ich wusste, wo ich hinwill, war das ein Schritt, den ich machen musste, der Spaß gemacht und meine Entwicklung gefördert hat.
Das heißt, der Schritt nach Trier, zu einem kleineren Klub, sollte die Spielzeit bringen.
Auf jeden Fall. Es war aber auch dort nicht so einfach. Vor mir hat Dru Joyce gespielt, der damals schon ein Top-Kaliber in der Liga war. Dann bin ich nach zwei Jahren noch einen Schritt zurück in die ProA nach Gießen gegangen. Das war, glaube ich, das Wichtigste für mich. Dort war ich Kapitän, hatte eine tragende Rolle. In dieser Zeit habe ich für meine weitere Karriere sehr viel gelernt.
War der Schritt in die ProA bewusst von dir gewählt oder hat sich das so ergeben?
Der war sehr bewusst. Ich stand vor der Frage, ob ich zu einem anderen Erstligaverein gehe, wo ich eine größere Rolle bekomme. Ich hatte zwar ein paar Angebote, doch das war alles nicht so sicher. Dann habe ich mit Denis (Wucherer, d. Red.) gesprochen und der hatte eine ziemlich klare Vision. Es hat auch von unseren Charakteren her gepasst. Er hat mich ziemlich schnell überzeugt. Wir sind dann ins Halbfinale gekommen, was damals niemand erwartet hat. Ich habe in diesem Jahr superviel gelernt. Gerade auch als Kapitän, wo ich auch zwischenmenschliche Dinge unten den Teammates geregelt habe. Ein immens wichtiges Jahr für mich.
Wie ist Denis Wucherer als Trainer?
Denis ist ein geiler Typ. Ich komme sehr gut mit ihm klar. Er hat mir in den Teams, in denen ich für ihn gespielt habe, sehr viel Verantwortung gegeben und mir das auch zugetraut. Er ist ein lockerer Typ, auch in der Spielphilosophie. Dennoch gehört hartes Arbeiten bei ihm immer dazu. Dabei bringt er aber diese Lockerheit mit rein, die bei mir den Spaß am Basketball hoch gehalten hat. Dann bin ich am kreativsten, kann am besten spielen. Es hat einfach alles gepasst. Er hat andere Trainingskonzepte ...
Zum Beispiel?
Er hat einmal am Tag trainiert, dafür manchmal sehr, sehr lange. Es kam vor, dass wir morgens vier Stunden in der Halle standen. Dann ist man um 13 Uhr auch ziemlich kaputt rausgekommen. Doch dann war man auch wirklich fertig und hatte 20 Stunden Regeneration bis zum nächsten Training. Die ganze Zusammenarbeit mit dem Trainerteam war sehr stimmig. Die haben aus der Situation sehr viel rausgeholt. Man war jeden Tag im Training, um wirklich an sich zu arbeiten und nicht um die Zeit abzusitzen. Wenn man in die Halle kam und er hat gesehen, da chillt jemand, kam gleich die Ansage: Okay, willst du heute besser werden oder nach Hause gehen?
Es gab ja im Sommer Gerüchte, dass er bei ALBA ein Kandidat für den Trainerposten war.
Ja, habe ich auch gelesen. Keine Ahnung, ob da etwas dran war. Ich hätte mich gefreut, Denis hier zu sehen. Doch jetzt freue ich mich auch sehr über den Trainer. Von Aito kann ich superviel lernen. So, wie es gekommen ist, ist es gut.
Wie war deine Situation am Ende der Saison in Gießen?
Mein Vertrag lief aus und während der Saison hatten sich schon Teams gemeldet. Das Interesse war groß. Als wir dann über meinen Agenten Ademola (Okulaja, d. Red.) mit ALBA in Kontakt standen, war schnell klar, dass es eine gute Option sein könnte. Während der Verhandlungen zeigte sich dann, dass es genau passt. Was ALBA suchte, was ich suchte. Und man sieht heute ja auch, dass es funktioniert. Ich bin sehr froh, hier zu sein, mit meiner Familie und meinen Freunden. In erster Linie natürlich, dass es spielerisch so gut passt. Wie wir als Team spielen – da wurde bei der Zusammenstellung in diesem Jahr immens viel richtig gemacht. Auch wenn man sieht, wie viel wir abseits des Feldes zusammen machen. Das ganze Konzept passt, mit Skills-Development-Coach Carlos (Frade, d.Red.). Das ist alles abgerundet und optimal, wenn man wirklich besser werden will. Und danach bin ich immer auf der Suche.

Was war in deiner Karriere im Rückblick wichtig, um an den heutigen Punkt zu kommen?
Das Wichtigste ist, an seinem Spielstil festzuhalten. Es gab immer Leute, die gesagt haben: Du spielst zu entspannt, du spielst zu schnell – was auch immer. Das änderte sich von Jahr zu Jahr auch, abhängig von der Person, mit der man gerade sprach. Wenn man sich da verrückt macht und versucht, es jedem recht zu machen, ist es schwer, sich treu zu bleiben. Daher war es für mich immer wichtig, meinen Spielstil beizubehalten. Auch wenn es in dem einen Jahr vielleicht mal besser geklappt und in dem anderen Jahre weniger gut funktioniert hat, war mir das zunächst weniger wichtig. Ich will mich als Spieler langfristig weiterentwickeln. Der eine Coach sagt, ich mache das falsch, und der andere Trainer sagt mir im nächsten Jahr, das sei das Beste, was ich überhaupt kann. Daher muss man diese Dinge immer mit ein wenig Abstand betrachten und versuchen, für sich zu entscheiden, wie man Basketball spielen möchte.
Wie willst du Basketball spielen?
Ich spiele sehr aggressiv. Das war schon immer so. Ich bin kein Spieler, der nur versucht, keine Fehler zu machen und nicht aufzufallen. Das war ich noch nie. Vielleicht war ich früher noch nicht auf dem Level, das in bestimmten Teams zu zeigen. Doch jetzt bin ich es, und daher bin ich froh, dass ich meinem Spielstil treu geblieben bin.
Du sagst, der Spielstil von Aito kommt dir entgegen und du spielst aggressiv. Auffällig ist: Du hast bisher fast doppelt so viele Steals wie vergangene Saison in Gießen.
Das liegt auch an seiner Philosophie. Wir haben viele Freiheiten, müssen das Spiel selbst lesen. Da bleibt das Spiel offen, man wird nicht so eingeengt. Bei Pavicevic wusste man zum Beispiel schon vorher, was passieren würde. Das war mehr wie Schach spielen. Wir spielen jetzt sehr schnell. Gerade wenn man mit Leuten wie Luke (Sikma, d.Red.) zusammenspielt, die das Spiel so gut lesen können, ist Basketball auf einmal so einfach. Die Verteidigungsphilosophie von Aito ist besonders. Er sagt einem nicht, ob man über oder unter den Block gehen soll. Er sagt: Komm durch und sei nah an deinem Gegenspieler. Wie man das löst, ist einem ein Stück weit selbst überlassen. Damit kann ich sehr gut umgehen. Ich habe eine gute Antizipation. Wenn man mir die Freiheit lässt, selbst zu entscheiden, dann schlägt sich das in den Steals nieder.
Du lernst viel von Coach Aito?
Oh ja, ganz, ganz viel. Man hat das Gefühl, er lässt die Dinge nur häppchenweise auf einen einprasseln, damit man nicht überfordert ist. Er hat so viel Basketballwissen. Wenn er einem etwas erklärt, denkt man: Okay, das ist so einfach. Warum habe ich das nicht schon vorher so gemacht? Doch da sprechen einfach 50 Jahre Erfahrung. Seine Gelassenheit, seine Ruhe und seine Zielstrebigkeit zu sehen, ist beeindruckend. Auch wie viel Spaß er an der Sache hat, sonst würde er wohl auch nicht mehr coachen. Jedes Mal, wenn er einem etwas erklärt, ist man danach ein wenig schlauer. Wenn man zwei Jahre mit ihm zusammenarbeitet, wird man danach auf jeden Fall sehr viel mehr über Basketball wissen als vorher.
Das komplette Interview mit Joshiko Saibou gibt es in der neuen BIG, die ab sofort im Handel erhältlich ist! Abonnenten haben sie bereits eine Woche früher im Briefkasten! Außerdem gibt es im Heft noch folgende Themen:

Inhalt der Ausgabe:
Das geheime Treffen der BBL-Bosse: Vertreter aller Klubs sprachen in Frankfurt über die Zukunft der Liga. Was besprochen wurde und was die 18 Geschäftsführer zur Situation sagen.
Dorell Wright: 549 NBA-Spiele – wie der erfahrene Forward Meister Bamberg hilft.
Joshiko Saibou: Der Guard über seinen langen Weg zurück zu ALBA BERLIN.
Maik Zirbes: Der Bayern-Center erklärt seine Anpassungsprobleme in der BBL.
medi bayreuth: Wie Raoul Korner und Philipp Galewski den Klub in der Erfolgsspur halten wollen.
David Krämer: Der Youngster hat große Ziele, doch derzeit kämpft er in Ulm um BBL-Minuten.
Oldenburgs Zukunft: Was die EWE Baskets mit dem neuen Trainingszentrum und Campus planen.
ALLSTAR Game: Die deutschen Stars, Legenden und alle Infos zum Spiel der Besten.
Dominic Lockhart: Nach seinem Wechsel von Oldenburg nach Göttingen startet der Guard durch.
Mathias Fischer: Wie der neue Trainer der WALTER Tigers Tübingen den Klub vor dem Abstieg retten will.
Marco Völler: Warum Gießen den Publikumsliebling zum Rivalen nach Frankfurt ziehen ließ.
Isaiah Hartenstein: Das Forward-Talent spricht im Interview über die Nationalmannschaft und den NBA-Traum.
Maxi Kleber: Starter in Dallas – warum der Forward die Umstellung auf die NBA so schnell packte.
Crailsheim Merlins: ProA: Der Klub hat aus Fehlern gelernt und peilt wieder die BBL an.
Dragons Rhöndorf: ProB: Die neuen Ziele mit Kooperationspartner Telekom Baskets Bonn.
Amanda Davidson: Die einzige Trainerin der DBBL über Chemnitz und ihre männlichen Kollegen.
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