– Alexander Büge
Nationalmannschaftskapitän Robin Benzing über seinen Abgang aus München, seine spektakuläre Rückkehr in die easyCredit BBL und seine Pläne mit s.Oliver Würzburg.
Robin, warst du froh, dass du nach der Niederlage gegen Spanien im EM-Viertelfinale endlich nach Hause konntest?
(lächelt) Auf der einen Seite habe ich mich darüber natürlich schon gefreut, da ich meine neugeborene Tochter nach der EM endlich kennenlernen konnte. Auf der anderen Seite wollte ich mit der Nationalmannschaft natürlich so gut wie möglich abschneiden. Wir hatten im Viertelfinale auch eine gute Chance, die Spanier zu schlagen. Es wäre mehr drin gewesen.
Warum hast du dich dafür entschieden, an der EM teilzunehmen, obwohl du die Geburt deines ersten Kindes erwartet hast?
Ich habe die Entscheidung gemeinsam mit meiner Frau getroffen. Wir haben lange darüber gesprochen und sind letztlich zu diesem Schluss gekommen. Dabei haben mehrere Faktoren eine Rolle gespielt. Zunächst hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keinen Vertrag unterschrieben. Es ging bei der EM für mich deshalb auch darum, ein gutes Turnier zu spielen und mich zu präsentieren. Nach meiner leichten Knieverletzung, die ich mir beim Supercup in Hamburg zugezogen hatte, stand mein Einsatz kurz vor der EM auf der Kippe. Meine Frau hat mir letztlich den entscheidenden Anstoß gegeben und gesagt, dass ich bei der EM spielen soll. Dass ich rechtzeitig fit geworden bin, war für uns schließlich das Zeichen, die EM-Teilnahme jetzt auch durchzuziehen. Da die Geburt letztlich sehr schnell ging, blieb mir nach dem Ukraine-Spiel auch nicht mehr die Zeit, nach Deutschland zurückzufliegen.
Deine berufliche Zukunft war zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt. Erst drei Tage nach der EM wurde dein Wechsel zu s.Oliver Würzburg perfekt gemacht. Wie kam es dazu?
Noch als ich in Tel Aviv war, hatte sich Coach Dirk Bauermann bei mir gemeldet. Nach dem Turnier wurde der Kontakt dann schnell intensiver. Ich wusste natürlich vorher, dass s.Oliver Würzburg sehr ambitioniert ist und dort etwas aufgebaut werden soll. Hinzu kommt, dass Würzburg von meiner Heimat nicht weit entfernt ist. Das macht es für meine Familie natürlich etwas einfacher, die Kleine regelmäßig zu sehen. Außerdem war mitentscheidend, dass Dirk Bauermann der Trainer in Würzburg ist. Er kennt mich in- und auswendig. Dirk weiß, was ich gut kann und was nicht. Einen Vertrag in Würzburg zu unterschreiben, war aus diesen Gründen letztlich sogar eine relativ einfache Entscheidung.
Eine Go-to-Guy-Rolle innezuhaben, spielte bei der Wahl deines Teams also auch eine entscheidende Rolle?
Ja, das war für mich sehr wichtig. Ich will nicht mehr nur von einer Seite zur anderen rennen. Während meiner letzten Jahre in München habe ich das vermehrt gemacht und dadurch an Selbstvertrauen verloren. Hier in Würzburg soll ich unter Dirk Bauermann auch ein Anführer sein. Er schenkt mir das Vertrauen, was ich ihm zurückzahlen will, indem ich Verantwortung übernehme und selbstbewusst auftrete.
Die ganze Situation hat mich sogar beflügelt. Ich konnte daraus Kraft ziehen und habe anschließend auch ein gutes Turnier gespielt. Gleichzeitig habe ich mich natürlich sehr auf zu Hause gefreut. Meine kleine Tochter dann zum ersten Mal zu sehen, war wunderschön, atemberaubend, einfach unbeschreiblich.
Robin Benzing über die Situation nach der Geburt seiner Tochter
Wie kam es dazu, dass du dein Selbstvertrauen in München verloren hast?
Meine Rolle ist kleiner geworden und der Trainer hatte weniger Vertrauen in mich. Dadurch kam es auch, dass ich nicht mehr so gut getroffen und folglich auch weniger gespielt habe. Die Folge davon war, dass ich mit noch weniger Selbstvertrauen gespielt habe, wenn ich auf dem Feld stand. Und ohne Selbstvertrauen Basketball zu spielen ist Käse.
Der damalige Bayern-Coach, Svetislav Pesic, hat vor den Playoffs deines letzten Münchener Jahres gesagt, dass einige deutsche Spieler im Team zu bequem geworden wären.
Er hat das damals so gesehen. Aber eigentlich möchte ich dazu nichts mehr sagen.
Nach vier Jahren in München folgte im Sommer 2015 dein Wechsel nach Saragossa in die spanische ACB.
Ich hatte mein Spiel komplett verloren. Auch den Respekt in der BBL, bei den Fans, bei den Schiedsrichtern und bei allen Spielern. Für mich ging es zu diesem Zeitpunkt darum, mein Selbstvertrauen wiederzufinden. Deshalb war es sehr wichtig, einen Tapetenwechsel zu haben und in Spanien etwas Neues kennenzulernen. Dementsprechend wollte ich mir in Saragossa meinen Respekt verdienen und direkt zeigen, dass ich immer noch ein sehr guter Basketballspieler bin.
Wie?
Für unsere Mannschaft lief es leider nicht besonders gut, für mich persönlich dafür umso besser. Ich musste nicht mehr von der einen in die andere Ecke laufen. Stattdessen konnte ich wieder zu dem Spiel finden, das mich vorher ausgezeichnet hat. Darauf habe ich dann aufgebaut. Zudem war es wichtig, dass der Trainer an mich geglaubt hat. Neben dem Selbstvertrauen ist das beim Basketball das Wichtigste. Wenn der Trainer kein Vertrauen in dich hat, dann wird es ganz schwer, gut zu spielen. In Saragossa war aber genau das Gegenteil der Fall. Die Trainer haben mir dort Verantwortung gegeben und mir gesagt: Du bist ein guter Spieler. Das habe ich ihnen dann auch bewiesen, weshalb meine Erfahrung in Spanien letztlich eine sehr positive war.
Können junge deutsche Spieler bei den absoluten Top-Teams zu Go-to-Guys werden?
Sich als junger Spieler bei einem Top-Verein für Minuten zu empfehlen und sich dort zu entwickeln, ist schwierig. Denn die Konkurrenz ist dort wirklich sehr groß, gerade bei den EuroLeague-Teams. Für die Entwicklung junger Talente ist es deshalb vielleicht besser, erst mal den Schritt zu einem kleineren Verein zu machen und dort in die Rolle eines Go-to-Guys hineinzuwachsen. So wie ich es nach meinem Wechsel zu Ulm gemacht habe. Als 20-Jähriger kam ich damals in die Erste Liga und durfte unter Coach Mike Taylor 25 bis 30 Minuten pro Partie spielen. So konnte ich schon in jungen Jahren wachsen und mein Spiel entfalten. Deshalb halte ich es für extrem wichtig, dass junge Spieler nicht direkt zu einem Top-Klub wechseln. Es sei denn, es gibt gute Farmteams, die ihnen in einer hohen Liga viele Minuten geben können. Um sich bestmöglich zu entwickeln, ist die Spielzeit in der Ersten Liga aber am wichtigsten.
Du bist 28 Jahre alt. Inwiefern kannst du dich selbst am besten weiterentwickeln?
Ich sehe bei mir in allen Aspekten noch Entwicklungspotenzial. Als 28-Jähriger bin ich inzwischen ein gestandener Spieler, habe viel erlebt und viel Erfahrung gesammelt. Durch diese Erfahrung kann ich bestimmte Situationen jetzt viel besser einschätzen. Dafür ist meine Rolle in Würzburg natürlich sehr gut. Als Führungsspieler muss ich in wichtigen Situationen Entscheidungen treffen, die den Ausgang des Spiels stark beeinflussen.
Das Ziel von s.Oliver Würzburg ist es, in dieser Saison um die Playoffs mitzuspielen. Im Vereinsinterview hast du gesagt, dass du in deinem dritten Würzburger Jahr ins Finale einziehen und um die Meisterschaft mitspielen willst. Wie soll das gelingen?
In diesem Jahr sind wir gut genug, um die Playoffs zu erreichen. Dennoch müssen wir abwarten und weiter unsere Leistung abliefern. Danach geht es darum, sich von Jahr zu Jahr zu steigern. Dafür wird es nötig sein, dass wir einen Großteil der Mannschaft zusammenhalten können, sodass sich die Automatismen im Team immer besser entwickeln, defensiv wie offensiv. In Bamberg hat man in den letzten Jahren gesehen, wie es funktioniert. Ein weiterer Faktor könnte unsere neue Halle werden.
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